Freitag, 22. Oktober 2010
15.-20. Oktober 2010 - 076, 077, 078, 079, 080, 081
20. Oktober Beypazari – Sincan 67,78 km, 4288 Gesamt km
Datum: 20.10.10
Der Morgen ist grau und regnerisch. Wir bauen unser Schlafgemach in der Garage ab und fahren im Regen los.
Es regnet und regnet, es schüttet und schüttet. Wir erahnen die Landschaft und quälen uns über brutale Rollsplitt-Straßen. Inzwischen fahren wir von Tankstelle zu Tankstelle, denn die haben ein breites Dach zum Unterstellen. Die nächste ist eher unbelebt, hat aber ein Dach, eine Toilette und die Möglichkeit, einen Saft zu kaufen. Wir fahren im strömenden Regen weiter den Berg hinauf und erahnen irgendwann im Nebel, Wolken und Regen die Bergkette, über die wir müssen. Plötzlich taucht vor uns eine funkelnagelneue Stadt auf, die nur aus Neubauten besteht. Nachdem wir vorher eher an provisorischen Ernte-Hütten vorbeigefahren sind, sind wir ganz beeindruckt. An der Straße mehren sich die Verkaufsstände, die zum Teil sogar das Gemüse und das Obst zurückgelassen haben. Als jedoch immer wieder mal ein Stand offen hat und wir sogar Vögel hören, hoffen wir, dass es vielleicht doch noch besser wird. Es ist Mittagszeit und die Neubaustadt lässt auf einen kulinarischen Ort nicht hoffen. Also fahren wir zur Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘), denn dort gibt es auch immer ein Dach, eine Toilette und Wasser. Wir finden ein Gebäudekomplex, das in unserem Sprachgebrauch aussieht wie ein Jugendheim.
In einer Ecke sind wir Regen-und Windgeschützt und kochen Nudelsuppe. Der Wind nimmt zu und entwickelt sich zu einem regelrechten Sturm.
Wie auch immer, wir nehmen den Pass in Angriff. Immerhin hat der Regen insofern aufgehört, als dass es nur noch ab und an regnet. Die Fahrt zum Pass ist schön, ab 1.000 m ist aufgeforstet. Bald haben wir den Wind nur noch als Rücken- und Seitenwind. Kurz vorm Pass adoptiert uns eine Hündin, die bis zum Pass mit uns mitläuft und uns ein wenig fragend anschaut. Als wir am Pass weiterfahren, läuft sie wieder zurück.
Wir fahren 200 m und es fängt an zu regnen. In Regenmontur fahren wir weiter und es wird zum Abstand mühsamsten Tag seit der Baustelle in Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë), da wir den gesamten Tag über eine ganz neue Rollsplitt-Straße fahren. Selbst bergab geht es nur mit kaum schnellerer Geschwindigkeit als bergauf. Ab und an sind Stellen, die glatt sind. Zum Mittag erreichen wir die nächste Stadt und finden dort ein Internetcafé. In diesem klären wir weitere Schritte auf unser hoffentlich dann mögliches Iranvisum. Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich anstrengend, weil die halbstarken Jungs es scheinbar als eine Art Mutprobe ansehen, uns anzusprechen, nachzulaufen, am Rad zu ziehen, Kekse vom Rad zu stiebizen etc. Da die Räder einfach schwer sind, ist mit solchen Aktionen nicht zu scherzen. Ziemlich genervt lassen wir uns zum Essen nieder und genießen die Ruhe des Essens.
Während des Flickens werden wir neugierig und erstaunt beäugt und von manchen angesprochen. In der Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘) ist Mittagsgebet und kaum sind wir fertig, ruft der Muezzin (arabisch مؤذّن mu'adhdhin, DMG muʾaḏḏin). Wir wollen gerade aufbrechen, als wir von einem jungen Mann auf Englisch angesprochen werden, der partout der Meinung ist, dass wir Hilfe brauchen. Die brauchen wir eigentlich nicht, aber da er schon so hartnäckig fragt, fragen wir ihn nach einem Ort zum Mittagsessen. Er führt uns zu einem kleinen Restaurant und erzählt uns auf dem Weg, dass er Imam (arabisch إمام, DMG Imām ‚Vorsteher, Vorbild‘) ist. Das Essen ist gut und während des Essens erzählt er, dass er für fünf Jahre in Australien (engl. und lat. Australia, abgeleitet von lateinisch terra australis ‚südliches Land‘; offizieller Name Commonwealth of Australia) war und dort in einer Moschee-Bewegung mitgearbeitet hat. So richtig gut verstehen wir ihn nicht und er wirkt auch nicht in allem so ganz orientiert, von daher ist das Erzählen ein wenig konfus. Es ist auf jeden Fall zu merken, dass der von der heutigen Türkei (amtlich Türkiye Cumhuriyeti (T.C.), deutsch Republik Türkei) nicht richtig viel hält und am wenigsten vom Bildungssystem. Wir wissen jetzt, dass das Symbol mit dem Buch und der Kerze das Symbol des Bildungsministeriums ist und keinerlei religiöse Bedeutung hat, was er sehr bedauert. Dennoch ist auch diese Begegnung eine gute und wir erleben bei jeder Begegnung einen kleinen Ausschnitt von dem, was die Türkei prägt.
Es ist zu sehen, dass es Getreidefelder gab. Ansonsten ist weit und breit kein Baum und kein Strauch zu sehen. Nachdem wir von der so grünen und vielfältig bewachsenen Gegend kommen, ist das ein herber Kontrast.
Dieser wird noch gesteigert, als wir uns dem Stausee nähern. Wir fahren durch eine Landschaft, die komplett durch Trockenheit und Erosion gekennzeichnet ist. Die Hügel stehen wie bunte Zuckerhüte in der Landschaft und wir fahren mitten zwischen ihnen durch. Für einen Moment sehen wir den Stausee, der noch Wasser führt und werden über einen Brücke geführt. Auf der anderen Seite der Brücke zeugt die Vegetation von Wasser und der Stausee ist komplett für den Anbau genutzt. Wir fahren die Straße wieder hoch, die „große“ Straße hat immerhin keine „anatolischen Rampen“ und die Landschaft bleibt gleich. Es gibt immer wieder einmal Aufforstungen an den Straßenrändern. Es sind keine Häuser und keine Dörfer zu sehen. Nach der Stadt gab es nur das Dorf am Stausee. Es dauert einige Zeit, bis wir zum nächsten Ort kommen, dieser ist auf der einen Seite durch Kohleabbau, auf der andern Seite durch Tourismus gekennzeichnet. Von dort ist es möglich, mit dem Schiff nach Ankara zu fahren. Wir kommen an dem Bergbau vorbei und sehen, dass die Kohle (von altgerm. kula, althochdeutsch kolo, mittelhochdeutsch Kul) auf LKWs verladen wird, die dann den Berg entlang fahren auf einer Schotterpiste, die parallel zur Straße geht. Bald schiebt sich wieder ein Hügel zwischen die Schotterpiste und die Straße. Wir fahren um den Hügel herum und sehen ein großes Kohlekraftwerk. Hatten wir vorher noch vermutet, dass der Strom von einem Wasserkraftwerk kommt, sehen wir nun, dass es ein Kohlekraftwerk ist. Dann sehen wir auch die LKWs wieder. Die Kohle wird um den Hügel rum zu einem Transportband gefahren, das die Kohle dann über die Straße auf weitere Transportbänder umschichtet, bis das Kraftwerk erreicht ist, das ziemlich genau gegenüber dem Hügel ist. Es ist ein unglaublicher Krach und Dreck und durch die vielen LKWs noch einmal mehr. Dazu kommen LKWs, die Steine an der Straße abkippen und eine Planierraupe, die eine neue Straße ebnet. Wir bekommen Wasser an der Pforte, das aber kein Trinkwasser ist und suchen uns einen Schlafplatz. Das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, da die Straße neu gebaut wird und jeder Weg in die Hügel dadurch nicht mehr erreichbar ist. Schließlich sehen wir einen Weg, der von der Straße abgeht. Auf ihm fahren zwar auch ein LKW nach dem anderen, aber von dort geht die alte Straße ab. So bauen wir unser Zelt in einem Dreieck zwischen der Straße, dem Weg, auf dem die LKWs rauskommen und dem Berg auf und liegen nun fröhlich im Straßenlärm. Immerhin haben die Baustellenarbeiter Feierabend, so dass der kleine Weg schon einmal nicht mehr befahren ist. Was für eine Gegend!
Der Weg ist zwar schrecklich, aber das Wetter ist endlich etwas besser und es regnet nur ab und an und sehr überschaubar.
Es geht endlos bergauf und bergab und wir sind in einer Gegend, in der es keinerlei Infrastruktur mehr gibt. Die Dörfer sind nicht mehr an der Straße und es gibt auch nicht viele. Wir kommen irgendwann tatsächlich an einer Tankstelle vorbei. Da türkische Tankstellen immer mit einem Laden und meistens sogar mit einem Restaurant ausgestattet sind, halten wir vor dem Gebäude, das aussieht wie ein Café- Es war bestimmt auch einmal ein Café. Jetzt ist es der Wohn- und Schlafraum der Familie, die die Tankstelle betreibt. Da wir Wasser und Kekse haben, setzen wir uns auf den Stein und schauen uns die Landschaft an. Kurz darauf kommt ein Reisebus aus Istanbul und sieht die Tankstelle, fährt zurück und in die Tankstelle. Dem Bus entsteigt eine Frauengruppe von ca. 15-70 Jahren. Die eine Hälfte steuert das Klo an, die andere das vermeintliche Café und es entsteht eine ziemliche Verwirrung. Denn die alte Dame, die auch uns schon erstaunt anschaute als wir in ihr Wohnzimmer wollten, steht wieder in der Tür. Immerhin klappt die Verständigung. Ein wenig wirkt das wie ein Aufeinandertreffen der Kulturen. Hier tragen die Frauen zu 99% ein Kopftuch, im Bus zu 95% keines. Die Chefin der Frauengruppe hat eine Trillerpfeife dabei, mit der sie sehr resolut ihre Frauen wieder in den Bus befördert. Wir fahren auch weiter und trauen unseren Augen nicht, als es kurz danach den Berg hochgeht: vor uns liegen wieder einmal steile Bergetappen, die von uns sehr bald in „anatolische Rampen“ umbenannt werden. Die Grundsteigung ist zwischen 5-9%, die häufige Steigung dann zwischen 12-16%. Bis zum Mittagessen haben wir gerade mal 20 km geschafft, sind aber schon 3,5 Stunden unterwegs. Wegen der mangelnden Infrastruktur suchen wir eine Quelle und kochen Nudelsuppe in der Sonne, was kaum zu glauben ist. Nach dem Mittagessen kommen wir in ein Dorf (den Muezzin hatten wir gehört) und bekommen dort einen Tee. Das Dorf ist so klein, dass es dort keinen Laden gibt. Kurz nach dem Dorf regnet es mal wieder und wir fahren an der Grenze zwischen dem Gewitter vor uns und der Sonne hinter uns und für einige Meter wirkt es so, als würden wir direkt in einen Regenbogen hineinfahren.
Auf einmal haben wir den Blick auf den Stausee, der uns in den nächsten Tagen erwartet. Nachdem es schon wieder gleich drei Rampen hinter einander gab und es schon beinahe 18:00 Uhr ist, beschließen wir, dass wir Wasser suchen und einen Schlafplatz.
Immerhin geht es bergab zum Fluss, was aber morgen heißt: bergauf über den nächsten Berg zum nächsten Fluss. Aber wir sind nur noch 20 km von der nächsten Stadt entfernt! Hoffentlich tropft es diese Nacht nicht.
Dieser hört gleich wieder auf. Wir kommen in das nächste Dorf, das ganz klein ist und wo alle mit der Ernte beschäftigt sind. In der nächsten Kleinstadt halten wir an, um einzukaufen und werden dort auf einen Tee eingeladen. Sofort gesellen sich viele Männer zu uns und wir unterhalten uns in der bekannten wilden Mischung aus Englisch, Türkisch und Pantomimisch. Der Ladenbesitzer spricht gut Englisch und er erzählt, dass das Leben hier authentisch sei, wenn auch monoton und komplett von Landwirtschaft und Vieh geprägt sei.
Die Steigungen sind ziemlich steil, dafür geht es immer wieder hinunter zum Sakarya (türkisch Sakarya Nehri; griechisch Σαγγάριος, lateinisch Sangarius), der ganz aufgewühlt von der Erde ist. Wir überqueren den Fluss und sofort ändert sich die Mentalität der Menschen. Wir haben diese Mentalität liebevoll „Westfalen“ genannt. Es ist alles ein wenig langsamer und gesetzter und der Prozess des Grüßens dauert länger und ist verhaltener. Alles in allem ist das Fahren zwar anstrengend wegen der vielen Steigungen und der Rollsplitt-Straßen, aber wir fangen an, uns wieder zu entspannen. Nachdem selbst die Hunde hier freundlicher sind und durchaus schauen, aber nicht direkt wie die Wilden auf einen zustürzen und die Kinder das auch nicht tun, können wir die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Umgebung und das Wahrnehmen legen. Die zweite Kleinstadt, schon deutlich größer, durch die wir kommen, ist vor allem durch Schulen geprägt. Das Symbol über der Tür einer Schule müssen wir uns in Ankara (früher Angora, antiker Name altgriechisch Ἄγκυρα Ankyra, lateinisch Ancyra) erkundigen. Auf unserem Symbolhintergrund können wir das bestimmt nicht verstehen oder nur missverstehen. Es ist immer ein aufgeschlagenes Buch mit einer Kerze, die leuchtet. Heute sind wir auch an Koranschulen = Madrasa (auch: Medrese, von arabisch مدرسة madrasa, pl. madāris; türkisch medrese) vorbeigekommmen.
So sitzen wir im Zelt im Regen (siehe Satz 1) und warten darauf, dass es so wenig wird, dass wir uns waschen können und dann ein aufbauendes Essen mit Reis und Thunfisch kochen werden. Ein wenig ist das Fahren hier wie in Albanien: für sonst überschaubare Strecken brauchen wir um so vieles mehr Zeit. Zum Glück haben wir eh einen Puffertag für die Strecke nach Ankara in Bilecik eingebaut. Hoffentlich kommen wir morgen gut voran.
Datum: 20.10.10
Tag: 81
TagesunterstützerIn:
von: Baypazari m NN 565
nach: Sincan m NN 801
km 67,78
Gesamt km 4235,6119
km/h: 10,65
Fahrzeit 06:21
gesamte Fahrzeit: 320:35:00
Anstieg in m pro h 135,91
Anstieg in m 863
Abfahrt in m: 627
höchster Punkt in m NN 1206
Steigung/Gefälle 2,20 Der Morgen ist grau und regnerisch. Wir bauen unser Schlafgemach in der Garage ab und fahren im Regen los.
Es regnet und regnet, es schüttet und schüttet. Wir erahnen die Landschaft und quälen uns über brutale Rollsplitt-Straßen. Inzwischen fahren wir von Tankstelle zu Tankstelle, denn die haben ein breites Dach zum Unterstellen. Die nächste ist eher unbelebt, hat aber ein Dach, eine Toilette und die Möglichkeit, einen Saft zu kaufen. Wir fahren im strömenden Regen weiter den Berg hinauf und erahnen irgendwann im Nebel, Wolken und Regen die Bergkette, über die wir müssen. Plötzlich taucht vor uns eine funkelnagelneue Stadt auf, die nur aus Neubauten besteht. Nachdem wir vorher eher an provisorischen Ernte-Hütten vorbeigefahren sind, sind wir ganz beeindruckt. An der Straße mehren sich die Verkaufsstände, die zum Teil sogar das Gemüse und das Obst zurückgelassen haben. Als jedoch immer wieder mal ein Stand offen hat und wir sogar Vögel hören, hoffen wir, dass es vielleicht doch noch besser wird. Es ist Mittagszeit und die Neubaustadt lässt auf einen kulinarischen Ort nicht hoffen. Also fahren wir zur Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘), denn dort gibt es auch immer ein Dach, eine Toilette und Wasser. Wir finden ein Gebäudekomplex, das in unserem Sprachgebrauch aussieht wie ein Jugendheim.
In einer Ecke sind wir Regen-und Windgeschützt und kochen Nudelsuppe. Der Wind nimmt zu und entwickelt sich zu einem regelrechten Sturm.
Wie auch immer, wir nehmen den Pass in Angriff. Immerhin hat der Regen insofern aufgehört, als dass es nur noch ab und an regnet. Die Fahrt zum Pass ist schön, ab 1.000 m ist aufgeforstet. Bald haben wir den Wind nur noch als Rücken- und Seitenwind. Kurz vorm Pass adoptiert uns eine Hündin, die bis zum Pass mit uns mitläuft und uns ein wenig fragend anschaut. Als wir am Pass weiterfahren, läuft sie wieder zurück.
Nachdem wir nur kurz hinuntergeführt werden in ein fruchtbares Tal, kaufen wir kurz ein und nehmen den zweiten Pass in Angriff. Die Straße ist wieder (nachdem sie kurzfristig Rollsplitt mit einem Sommer hinter sich war) eine neue Rollsplittstraße und so wird der Weg zum Pass anstrengend. Dennoch sind die Ausblicke so schön, dass es Spaß macht und es regnet nun nicht mehr.
Wir fahren noch mühsam in die nächste Ebene hinunter und bald haben wir den ersten echten Asphalt seit Tagen erreicht. Auf diese Weise sind wir sehr schnell ganz nah an Ankara (früher Angora, antiker Name altgriechisch Ἄγκυρα Ankyra, lateinisch Ancyra) und brauchen nun ein Hotel. Neben Industrie ist es vor allem die Landwirtschaft, die die Gegend prägt. Auch hier gibt es viele und ausgeprägte Neubaugegenden. Interessant ist, dass sie eigentlich alle gleich aussehen, aber dennoch nicht trostlos wirken. Wir fragen uns von Tankstelle zu Tankstelle vor und landen dann in Sincan, wo es ein Hotel geben soll. In Sincan geht das Zick-Zack und Hin- und Her wieder los, dass wir schon aus Bilecek kennen: jeder zeigt uns einen anderen Weg zum Hotel. Schließlich finden wir eines, von dem uns abgeraten wird und ein anderes, das noch ein Zimmer frei hat. Auf der Straße entwickelt sich dann ein spannendes Handeln um den Preis und die Konditionen, das ein junger Mann für uns übernimmt, der Wolfgang angesprochen hatte. Schließlich haben wir ein Zimmer ohne Dusche, dürfen aber die Dusche eines anderen Zimmers am Morgen benutzen und bekommen Tee umsonst. Es ist ein Hotel mit einer ganz netten Atmosphäre.
19. Oktober Cayhiran – Beypazarı 35,19 km, 4219,9 Gesamt km
Datum: 19.10.10
Datum: 19.10.10
Tag: 80
TagesunterstützerIn: Ulla Ferl
von: Cayirhan m NN 658
nach: Baypazari m NN 565
km 35,19
Gesamt km 4167,8319
km/h: 10,2
Fahrzeit 03:26
gesamte Fahrzeit: 314:14:00
Anstieg in m pro h 89,13
Anstieg in m 306
Abfahrt in m: 399
höchster Punkt in m NN 742
Steigung/Gefälle 2,00
Panne: Platter an Wolfgangs Hinterrad
Wir wachen vom melodischen Trommeln auf dem Zelt auf, mit dem Geräusch sind wir auch eingeschlafen, und entdecken, dass wir immerhin die Frage des Kondenswassers gelöst haben: wir müssen nur im Innenzelt auf jeder Seite einen kleinen Spalt offen lassen.
Als wir das Zelt und die Räder bepacken, regnet es nicht und wir sehen die erstaunten Blicke der Bauarbeiter.
Wir fahren 200 m und es fängt an zu regnen. In Regenmontur fahren wir weiter und es wird zum Abstand mühsamsten Tag seit der Baustelle in Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë), da wir den gesamten Tag über eine ganz neue Rollsplitt-Straße fahren. Selbst bergab geht es nur mit kaum schnellerer Geschwindigkeit als bergauf. Ab und an sind Stellen, die glatt sind. Zum Mittag erreichen wir die nächste Stadt und finden dort ein Internetcafé. In diesem klären wir weitere Schritte auf unser hoffentlich dann mögliches Iranvisum. Die Suche nach einem Restaurant gestaltet sich anstrengend, weil die halbstarken Jungs es scheinbar als eine Art Mutprobe ansehen, uns anzusprechen, nachzulaufen, am Rad zu ziehen, Kekse vom Rad zu stiebizen etc. Da die Räder einfach schwer sind, ist mit solchen Aktionen nicht zu scherzen. Ziemlich genervt lassen wir uns zum Essen nieder und genießen die Ruhe des Essens.
Als wir losfahren regnet es nicht – es hat schon fast zwei Stunden nicht mehr geregnet – und das Barometer sieht, wie gestern auch, gut aus. Wir fahren weiter durch diese beinahe unwirkliche Landschaft als plötzlich eine Regenwolke wie aus dem Nichts auftaucht und wir es gerade noch schaffen, Gamaschen und Regencape anzuziehen, als ein Schauer und Graupelschauer mit Sturm über uns nieder geht. Er dauert vielleicht zehn Minuten, aber wir haben unsere langen Strümpfe an und haben nicht damit gerechnet, dass nasse Beine nasse Strümpfe bedeutet und nasse Strümpfe Regenleiter sind und da auch keine Gamaschen.helfen. Das Ergebnis ist, dass bei uns beiden im rechten Schuh das Wasser steht. Der Regen hat aufgehört und der Reifen von Wolfgang ist platt. Der Rollsplit fordert die Reifen so heraus, dass wir deutlich höhere Verluste haben.
Inzwischen ist es fast fünf Uhr und so wünschen wir uns ein Hotel oder einen trockenen Platz herbei und fahren bis zur nächsten Tankstelle. Dort nimmt uns ein ältere Herr in Empfang, der die Situation sofort blickt und so ziemlich als erstes fragt, wo wir denn schlafen. Er bietet uns die Werkstatt an und wir nehmen das Angebot gerne an. Er holt uns noch Paprika und Tomaten aus seinem Garten, bringt uns Käse-Cracker und lädt uns noch auf einen Tee ein. Es ist etwas ungewohnt, aber im Grunde ganz gut. Am Abend ist sogar am Abendhimmel das Abendrot zu sehen und über dem Stausee liegt Nebel. In diesem Licht wirkt die Landschaft richtig schön. Als wir kochen, kommt die Nachtschicht der Tankstelle und redet auf uns ein. Wir verstehen kein Wort und so geht er wieder. Als Wolfgang dann später zur Toilette geht, zeigt er ihm den Gebetsraum und macht deutlich, dass wir doch dort schlafen sollen, da dort Teppich ist.
18. Oktober Subasi – Cayirhan 66,22km, 5184,2 Gesamt km
Datum: 18.10.10
Datum: 18.10.10
Tag: 79
TagesunterstützerIn:
von: Subasi m NN 607
nach: Cayirhan m NN 658
km 66,22
Gesamt km 4132,6419
km/h: 10,55
Fahrzeit 06:16
gesamte Fahrzeit: 310:48:00
Anstieg in m pro h 143,62
Anstieg in m 900
Abfahrt in m: 849
höchster Punkt in m NN 896
Steigung/Gefälle 2,64
1. Panne: beim Beladen von Gundas Rad gibt es zur Seite auf den zusätzlichen Anbau und die Kompass-Klingel fliegt auseinander (der Kompass fährt eh immer nach Süden). Der Deckel der Klingel findet sich in der Fahrt auf dem Aufbau liegend
2. Panne: kurz vor der Mittagspause knallt der linke Reifen von Wolfgangs Rad. Zum Glück haben wir noch einen Ersatz.
Am Morgen entdecken wir, dass das Tropfen keine Frage des Regens ist, sondern Kondenswasser. Das Zelt ist so dicht, dass das Wasser sich sammelt und dann tropft (ein Phänomen, das wir von unserer Wohnung schon kennen). Also probieren wir heute Abend mal mit Lüftung. Es hat in der Nacht so gut wie gar nicht geregnet und am Morgen scheint die Sonne. Wir fahren mit dem ungewohnten Licht und der Wärme los und sausen durch wunderschöne Landschaft zunächst zum Fluss hinunter. Wir fahren immer wieder an Weinfeldern vorbei, die ebenso wie die Häuser mit hohen Zäunen gesichert sind. Abgesehen von dem einen oder anderen großen und gesicherten Haus gibt es auf der Straße keine weiteren Häuser und nur ab und an an den Berghängen. Nach dem Fluss geht es stetig und mit vielen „anatolischen Rampen“ den Berg wieder hinauf, bis wir über 900 m sind. Dauernd denken wir, dass es doch jetzt runter gehen müsse. Es ist eine tolle Landschaft, die mit jeder Rampe neue Blick und Aussichten ermöglicht. Es ist grün und bewachsen und uns fällt auf, dass die Bäume sich färben.
Als wir den Sattel erreicht haben, geht es steil abwärts zur nächsten Stadt, auf die wir uns durchaus freuen. Wir finden zwei Läden nebeneinander und füllen unsere Vorräte auf. Zum Glück haben wir immer für bis zu zwei Tage Essen dabei. Als wir dann in die Innenstadt fahren wollen, gibt es einen großen Knall und der linke Reifen vom Wagen ist platt. Auch der Mantel ist durch und der Schlauch geplatzt. Wir schieben die Räder zur Moschee, denn wo eine Moschee ist, da ist auch Wasser.
Während des Flickens werden wir neugierig und erstaunt beäugt und von manchen angesprochen. In der Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘) ist Mittagsgebet und kaum sind wir fertig, ruft der Muezzin (arabisch مؤذّن mu'adhdhin, DMG muʾaḏḏin). Wir wollen gerade aufbrechen, als wir von einem jungen Mann auf Englisch angesprochen werden, der partout der Meinung ist, dass wir Hilfe brauchen. Die brauchen wir eigentlich nicht, aber da er schon so hartnäckig fragt, fragen wir ihn nach einem Ort zum Mittagsessen. Er führt uns zu einem kleinen Restaurant und erzählt uns auf dem Weg, dass er Imam (arabisch إمام, DMG Imām ‚Vorsteher, Vorbild‘) ist. Das Essen ist gut und während des Essens erzählt er, dass er für fünf Jahre in Australien (engl. und lat. Australia, abgeleitet von lateinisch terra australis ‚südliches Land‘; offizieller Name Commonwealth of Australia) war und dort in einer Moschee-Bewegung mitgearbeitet hat. So richtig gut verstehen wir ihn nicht und er wirkt auch nicht in allem so ganz orientiert, von daher ist das Erzählen ein wenig konfus. Es ist auf jeden Fall zu merken, dass der von der heutigen Türkei (amtlich Türkiye Cumhuriyeti (T.C.), deutsch Republik Türkei) nicht richtig viel hält und am wenigsten vom Bildungssystem. Wir wissen jetzt, dass das Symbol mit dem Buch und der Kerze das Symbol des Bildungsministeriums ist und keinerlei religiöse Bedeutung hat, was er sehr bedauert. Dennoch ist auch diese Begegnung eine gute und wir erleben bei jeder Begegnung einen kleinen Ausschnitt von dem, was die Türkei prägt.
Nachdem er sich verabschiedet hat, fahren wir auf der großen Straße weiter, die von der Qualität genauso schlecht ist wie die kleine, aber Markierungen hat, und befinden uns, unmittelbar nachdem wir den Fluss verlassen haben, in einer komplett dürren und erodierten Landschaft.
Es ist zu sehen, dass es Getreidefelder gab. Ansonsten ist weit und breit kein Baum und kein Strauch zu sehen. Nachdem wir von der so grünen und vielfältig bewachsenen Gegend kommen, ist das ein herber Kontrast.
Dieser wird noch gesteigert, als wir uns dem Stausee nähern. Wir fahren durch eine Landschaft, die komplett durch Trockenheit und Erosion gekennzeichnet ist. Die Hügel stehen wie bunte Zuckerhüte in der Landschaft und wir fahren mitten zwischen ihnen durch. Für einen Moment sehen wir den Stausee, der noch Wasser führt und werden über einen Brücke geführt. Auf der anderen Seite der Brücke zeugt die Vegetation von Wasser und der Stausee ist komplett für den Anbau genutzt. Wir fahren die Straße wieder hoch, die „große“ Straße hat immerhin keine „anatolischen Rampen“ und die Landschaft bleibt gleich. Es gibt immer wieder einmal Aufforstungen an den Straßenrändern. Es sind keine Häuser und keine Dörfer zu sehen. Nach der Stadt gab es nur das Dorf am Stausee. Es dauert einige Zeit, bis wir zum nächsten Ort kommen, dieser ist auf der einen Seite durch Kohleabbau, auf der andern Seite durch Tourismus gekennzeichnet. Von dort ist es möglich, mit dem Schiff nach Ankara zu fahren. Wir kommen an dem Bergbau vorbei und sehen, dass die Kohle (von altgerm. kula, althochdeutsch kolo, mittelhochdeutsch Kul) auf LKWs verladen wird, die dann den Berg entlang fahren auf einer Schotterpiste, die parallel zur Straße geht. Bald schiebt sich wieder ein Hügel zwischen die Schotterpiste und die Straße. Wir fahren um den Hügel herum und sehen ein großes Kohlekraftwerk. Hatten wir vorher noch vermutet, dass der Strom von einem Wasserkraftwerk kommt, sehen wir nun, dass es ein Kohlekraftwerk ist. Dann sehen wir auch die LKWs wieder. Die Kohle wird um den Hügel rum zu einem Transportband gefahren, das die Kohle dann über die Straße auf weitere Transportbänder umschichtet, bis das Kraftwerk erreicht ist, das ziemlich genau gegenüber dem Hügel ist. Es ist ein unglaublicher Krach und Dreck und durch die vielen LKWs noch einmal mehr. Dazu kommen LKWs, die Steine an der Straße abkippen und eine Planierraupe, die eine neue Straße ebnet. Wir bekommen Wasser an der Pforte, das aber kein Trinkwasser ist und suchen uns einen Schlafplatz. Das ist beinahe ein Ding der Unmöglichkeit, da die Straße neu gebaut wird und jeder Weg in die Hügel dadurch nicht mehr erreichbar ist. Schließlich sehen wir einen Weg, der von der Straße abgeht. Auf ihm fahren zwar auch ein LKW nach dem anderen, aber von dort geht die alte Straße ab. So bauen wir unser Zelt in einem Dreieck zwischen der Straße, dem Weg, auf dem die LKWs rauskommen und dem Berg auf und liegen nun fröhlich im Straßenlärm. Immerhin haben die Baustellenarbeiter Feierabend, so dass der kleine Weg schon einmal nicht mehr befahren ist. Was für eine Gegend!
17. Oktober Kapikaya – Subasi 45,44km, 4117,1 Gesamt km
Datum: 17.10.10
Datum: 17.10.10
Tag: 78
TagesunterstützerIn:
von: Kapikaya m NN 179
nach: Subasi m NN 607
km 45,44
Gesamt km 4066,4219
km/h: 8,58
Fahrzeit 05:17
gesamte Fahrzeit: 304:32:00
Anstieg in m pro h 212,93
Anstieg in m 1125
Abfahrt in m: 697
höchster Punkt in m NN 833
Steigung/Gefälle 4,01
Die Nacht endet um 5:30 mit einem großen Erschrecken: Zum ersten Mal hat es ins Zelt getropft. Der Schlafsack ist an einigen Stellen feucht-nass und bei näherer Betrachtung sehen wir die Tropfen an der Decke. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, denn das darf nun wirklich nicht passieren. Es hatte zwar geregnet am Abend, nun gut: es hat aus Eimern geschüttet am Abend, aber bisher hatte es deswegen noch nie reingeregnet. Wir wissen uns auch keine Lösung und packen das Zelt halt ein wie es ist und hoffen auf das Beste. Sollte das so bleiben, werden wir in Ankara neben dem Visum für den Iran noch ein weiteres Thema haben: ein Zelt besorgen, denn mit einem tropfenden Zelt (es ist über 10 Jahre alt) können wir unsere Regentour nicht fortsetzen. (Sinnigerweise hatte ich (Gunda) kurz vorher von der Nordsee geträumt…..).
Die Sonne scheint und wir machen uns froh gemut auf den Weg.
Der Weg ist zwar schrecklich, aber das Wetter ist endlich etwas besser und es regnet nur ab und an und sehr überschaubar.
Es geht endlos bergauf und bergab und wir sind in einer Gegend, in der es keinerlei Infrastruktur mehr gibt. Die Dörfer sind nicht mehr an der Straße und es gibt auch nicht viele. Wir kommen irgendwann tatsächlich an einer Tankstelle vorbei. Da türkische Tankstellen immer mit einem Laden und meistens sogar mit einem Restaurant ausgestattet sind, halten wir vor dem Gebäude, das aussieht wie ein Café- Es war bestimmt auch einmal ein Café. Jetzt ist es der Wohn- und Schlafraum der Familie, die die Tankstelle betreibt. Da wir Wasser und Kekse haben, setzen wir uns auf den Stein und schauen uns die Landschaft an. Kurz darauf kommt ein Reisebus aus Istanbul und sieht die Tankstelle, fährt zurück und in die Tankstelle. Dem Bus entsteigt eine Frauengruppe von ca. 15-70 Jahren. Die eine Hälfte steuert das Klo an, die andere das vermeintliche Café und es entsteht eine ziemliche Verwirrung. Denn die alte Dame, die auch uns schon erstaunt anschaute als wir in ihr Wohnzimmer wollten, steht wieder in der Tür. Immerhin klappt die Verständigung. Ein wenig wirkt das wie ein Aufeinandertreffen der Kulturen. Hier tragen die Frauen zu 99% ein Kopftuch, im Bus zu 95% keines. Die Chefin der Frauengruppe hat eine Trillerpfeife dabei, mit der sie sehr resolut ihre Frauen wieder in den Bus befördert. Wir fahren auch weiter und trauen unseren Augen nicht, als es kurz danach den Berg hochgeht: vor uns liegen wieder einmal steile Bergetappen, die von uns sehr bald in „anatolische Rampen“ umbenannt werden. Die Grundsteigung ist zwischen 5-9%, die häufige Steigung dann zwischen 12-16%. Bis zum Mittagessen haben wir gerade mal 20 km geschafft, sind aber schon 3,5 Stunden unterwegs. Wegen der mangelnden Infrastruktur suchen wir eine Quelle und kochen Nudelsuppe in der Sonne, was kaum zu glauben ist. Nach dem Mittagessen kommen wir in ein Dorf (den Muezzin hatten wir gehört) und bekommen dort einen Tee. Das Dorf ist so klein, dass es dort keinen Laden gibt. Kurz nach dem Dorf regnet es mal wieder und wir fahren an der Grenze zwischen dem Gewitter vor uns und der Sonne hinter uns und für einige Meter wirkt es so, als würden wir direkt in einen Regenbogen hineinfahren.
Auf einmal haben wir den Blick auf den Stausee, der uns in den nächsten Tagen erwartet. Nachdem es schon wieder gleich drei Rampen hinter einander gab und es schon beinahe 18:00 Uhr ist, beschließen wir, dass wir Wasser suchen und einen Schlafplatz.
Immerhin geht es bergab zum Fluss, was aber morgen heißt: bergauf über den nächsten Berg zum nächsten Fluss. Aber wir sind nur noch 20 km von der nächsten Stadt entfernt! Hoffentlich tropft es diese Nacht nicht.
16.Okober Mihalgazi, formerly Gümele (Before 1927) – Kapikaya 26,3km, 4071 Gesamt km
Datum: 16.10.10
Datum: 16.10.10
Tag: 77
TagesunterstützerIn: "Sr. Gertrud Smitmans
Franziskanerinnen St. Mauritz"
von: Milhangazi m NN 240
nach: Kapikaya m NN 179
km 26,3
Gesamt km 4020,9819
km/h: 10,8
Fahrzeit 02:26
gesamte Fahrzeit: 299:15:00
Anstieg in m pro h 110,14
Anstieg in m 268
Abfahrt in m: 329
höchster Punkt in m NN 241
Steigung/Gefälle 2,27
Wenn es Standardsätze auf unserer Reise gibt dann:
Es regnet.
Wir sitzen im Zelt und es regnet.
Wir bauen das Zelt auf oder ab im Regen
Wir schaffen es gerade noch, das Zelt vorm Regen auf- oder abzubauen.
Jetzt passt Nummer zwei: wir sitzen im Zelt und es regnet. Heute passt auch Nummer 4: wir haben es geschafft, das Zelt vor dem Regen ab- und aufzubauen.
In der Nacht verschlimmert sich aber zunächst (nachdem es am Abend natürlich geregnet hatte) der Durchfall von Wolfgang (1-2 mal tagsüber ohne weitere Phänomene betrachten wir nicht mehr als Durchfall, der einer Beobachtung bedarf) und dazu kommt erhöhte Temperatur. Nachdem die Kohletabletten am Abend nicht geholfen haben, muss Immodium her. Nach dem Frühstück ist die Temperatur immer noch erhöht, so dass wir beschließen, an unserem wunderschönen Tag bis zum Mittag zu bleiben, so dass Wolfgang schlafen kann. Zum Glück ist der Platz so abgeschieden, dass das geht. Nach einem sporadischen Mittagessen schaffen wir es vor dem Gewitter (siehe Satz 4), das Zelt abzubauen und im Regen loszufahren.
Dieser hört gleich wieder auf. Wir kommen in das nächste Dorf, das ganz klein ist und wo alle mit der Ernte beschäftigt sind. In der nächsten Kleinstadt halten wir an, um einzukaufen und werden dort auf einen Tee eingeladen. Sofort gesellen sich viele Männer zu uns und wir unterhalten uns in der bekannten wilden Mischung aus Englisch, Türkisch und Pantomimisch. Der Ladenbesitzer spricht gut Englisch und er erzählt, dass das Leben hier authentisch sei, wenn auch monoton und komplett von Landwirtschaft und Vieh geprägt sei.
Nach dem Tee fahren wir weiter in der Mischung aus Regen und Sonne, Regensachen anziehen und ausziehen und genießen die Landschaft und die vielen kleinen Orte.
Die Steigungen sind ziemlich steil, dafür geht es immer wieder hinunter zum Sakarya (türkisch Sakarya Nehri; griechisch Σαγγάριος, lateinisch Sangarius), der ganz aufgewühlt von der Erde ist. Wir überqueren den Fluss und sofort ändert sich die Mentalität der Menschen. Wir haben diese Mentalität liebevoll „Westfalen“ genannt. Es ist alles ein wenig langsamer und gesetzter und der Prozess des Grüßens dauert länger und ist verhaltener. Alles in allem ist das Fahren zwar anstrengend wegen der vielen Steigungen und der Rollsplitt-Straßen, aber wir fangen an, uns wieder zu entspannen. Nachdem selbst die Hunde hier freundlicher sind und durchaus schauen, aber nicht direkt wie die Wilden auf einen zustürzen und die Kinder das auch nicht tun, können wir die Aufmerksamkeit vermehrt auf die Umgebung und das Wahrnehmen legen. Die zweite Kleinstadt, schon deutlich größer, durch die wir kommen, ist vor allem durch Schulen geprägt. Das Symbol über der Tür einer Schule müssen wir uns in Ankara (früher Angora, antiker Name altgriechisch Ἄγκυρα Ankyra, lateinisch Ancyra) erkundigen. Auf unserem Symbolhintergrund können wir das bestimmt nicht verstehen oder nur missverstehen. Es ist immer ein aufgeschlagenes Buch mit einer Kerze, die leuchtet. Heute sind wir auch an Koranschulen = Madrasa (auch: Medrese, von arabisch مدرسة madrasa, pl. madāris; türkisch medrese) vorbeigekommmen.
Wolfgang geht es insofern besser, als dass der Durchfall nicht wieder gekommen ist und so suchen wir Wasser und merken, dass wir auf der Wasserarmen Seite des Flusses sind. Aber wir haben Glück und finden eine Pumpe und pumpen das Wasser munter nach dem Motto: „Durchfall haben wir eh“ in unsere Wassersäcke. Da aber am Baum über der Pumpe ein Becher hängt, hoffen wir das Beste. Heute abend leihen wir uns die Wiese eines Bauern für die Nacht und schaffen es so gerade noch das Zelt aufzubauen, bevor das nächste Gewitter (siehe Satz 4) über uns herzieht.
So sitzen wir im Zelt im Regen (siehe Satz 1) und warten darauf, dass es so wenig wird, dass wir uns waschen können und dann ein aufbauendes Essen mit Reis und Thunfisch kochen werden. Ein wenig ist das Fahren hier wie in Albanien: für sonst überschaubare Strecken brauchen wir um so vieles mehr Zeit. Zum Glück haben wir eh einen Puffertag für die Strecke nach Ankara in Bilecik eingebaut. Hoffentlich kommen wir morgen gut voran.
15. Oktober Bilecik (thrak. Agrilion, griech. Belikoma) – Mihalgazi, formerly Gümele (Before 1927) 73,18 km, 4047,4 Gesamt km
Datum: 15.10.10
Tag: 76
TagesunterstützerIn: Geoge und Lou Ann Miller
von: Bilecik m NN 516
nach: Milhangazi m NN 240
km 73,18
Gesamt km 3994,6819
km/h: 11,54
Fahrzeit 06:20
gesamte Fahrzeit: 296:49:00
Anstieg in m pro h 150,47
Anstieg in m 953
Abfahrt in m: 1229
höchster Punkt in m NN 691
Steigung/Gefälle 2,98
Nachdem wir am Abend vorher vergebens versucht haben, mit dem elektronischen Visa-Vergabesystem der Republik Iran (Persien, persisch ايران Īrān [iːˈrɔːn] , dt. Land der Arier) uns anzufreunden, haben wir nach drei Versuchen kapituliert und uns an eine der Agenturen gewandt, die Visa vermitteln. Nun haben wir die Hoffnung, dass das in Ankara (früher Angora, antiker Name altgriechisch Ἄγκυρα Ankyra, lateinisch Ancyra) alles klappt.
Am Morgen trauen wir unseren Augen nicht: wir können Sterne sehen und es regnet nicht! Nach einem guten Frühstück packen wir unsere ganzen Taschen in den Aufzug und der Hotelmanager scheint durchaus froh zu sein, dass wir abreisen. Er und ein junger Mann ist sofort damit beschäftigt, unsere Taschen in der Lobby zum Ausgang zu tragen und der junge Mann versucht sogar, die Räder im abgeschlossenen Zustand zur Tür zu schieben. Von derartiger Eile überrascht (immerhin haben wir bezahlt) schließen wir unsere Räder auf und versuchen das Heraustragen derselben selbst zu machen. Das klappt ganz gut und vor dem Hotel bepacken wir die Räder während der Manager im Hotel vor der Ausgangstüre sitzt und sich alles anschaut. Es liegt ein Stück Papier auf der Stufe zum Hotel (nicht von uns) und als wir fahren wollen, kickt er es auf den Asphalt. Abgesehen davon war es ein guter Ort. Es regnet bei der Abfahrt und wir haben gelernt, dass Regenschuhe und Regenhose eine gute Erfindung bei Regen sind und fahren in voller Montur los.
Wir sind überrascht, dass der Ort noch einen zweiten Teil hinter dem Berg hat und biegen dahinter auf die Straße ab, die uns zwischen den beiden Hauptstraßen nach Ankara (früher Angora, antiker Name altgriechisch Ἄγκυρα Ankyra, lateinisch Ancyra) führen soll. Bald hört es auf zu regnen und wir können unsere Montur ausziehen und einen Blick, genauer gesagt den ersten Blick auf die Berge werfen.
Nachdem wir im Frühstücksfernsehen gesehen haben, wie dramatisch der Regen und die darausfolgenden Überschwemmungen nicht weit von dort gewesen sind, wo wir gezeltet haben und gefahren sind, haben wir ein ganz anderes Verhältnis zu unserer Regenerfahrung. Uns ist nichts passiert! Umso mehr genießen wir die Aussichten, die sich uns bieten und fahren auf der Straße, die zunächst immer höher hinauf geht, weiter. Der nächste größere Ort ist eine Kleinstadt, die komplett vom Militär geprägt ist. Bei der Einfahrtstraße in den Ort ist die erste Kaserne und davor steht eine riesige Menschenmenge auf dem Bürgersteig, der Straße, auf den Mauern und alle schauen in die Kaserne. Wir arbeiten uns durch die Menge und wissen nicht, was da passiert. Direkt nach dieser Menschenmenge sehen wir Unmengen von Autos am Straßenrand, Menschen, die auf dem Bürgersteig und dem Grünstreifen sitzen und Picknicken. Das ist eine richtige große Angelegenheit: mit dem Gaskocher wird der Tee gekocht, es wird gegrillt, Decken und Sitzkissen sind auch dabei. Auch das Gegenüber dieses Abschnitts des Militärs ist komplett belegt von picknickenden Familien. Wir vermuten sehr bald, dass heute der Militärdienst aufhört und beginnt zugleich und die einen auf ihre Söhne / Brüder / Freunde warten und die anderen sie verabschieden. Faszinierend für uns, die wir vorbei fahren, ist, dass dieser private Moment so öffentlich ist und zugleich darin wieder ganz privat im familiären Picknick.
Mit Mühe finden wir einen Ort, wo wir die Räder parken können und etwas essen können. Anschließend suchen wir unsere Straße und bekommen den Weg am Busbahnhof erklärt. Die Straße geht immer höher und hinter einer Kurve sieht es aus, als würden wir ins Nichts fahren. Wir sind mit knapp 700 m mitten in den Wolken und es fängt wieder an zu regnen. Wir wagen die halbe Ausrüstung und fahren weiter. Sobald wir einige Höhenmeter tiefer sind, hört der Regen wieder auf und die Sonne kommt raus.
Es ist eine wunderschöne Landschaft mit zerklüfteten Felsen und weiten Blicken auf die nächsten Berge. Wir entledigen uns wieder unserer Regenkleidung und folgen den vielen und steilen Serpentinen hinunter zum Fluss
und sind begeistert von der Schönheit und Vielfältigkeit. Im nächsten Dort beschließen wir einen Kaffee zu trinken und etwas Süßes zu essen. Die Suche führt uns zum Hauptplatz und kaum sind wir dort, schauen uns ca. 100 Männer interessiert an. Wir werden direkt zum Tee eingeladen und unterhalten uns mit Händen und Füßen und Türkisch-Brocken ein wenig und bekommen noch einen Sesamkringel und ein weiteres Brot geschenkt. Wir fahren weiter zum Fluß hinab und befinden uns in einem ganz fruchtbarem Tal in dem jetzt noch neu angesät worden ist. Der Weg geht in einem beständigen Auf und Ab im Tal entlang, solange bis die Schlucht so eng wird, dass die Straße wieder bergauf führt. Das Land ist zerklüftet und wunderschön.
Inzwischen vertrauen wir darauf, dass überall wo es Wasser gibt, die Quellen gefasst sind und in der Regel in Kurven zu finden sind. Wir finden eine wunderschöne Quelle, eigentlich die schönste bisher.
Überall wo die Osmanen und / oder die Kommunisten waren, gibt es diese gefassten Quellen. Unsere Reise lässt uns die Geschichte der Länder, durch die wir fahren, unter ganz anderen Gesichtspunkten betrachten (und alle mitlesenden Historiker – liebe Grüße an Thomas und Martin – mögen nun tolerant sein) und wir sind sehr froh, dass das osmanische Reich so groß war und uns dieser Luxus, so die Natur ihn ermöglicht, noch eine Weile erhalten bleibt.
Wir finden einen schönen Platz unter einer Pinie und haben beim Suchen sehr auf den Weg geachtet. Denn auch hier muss der Regen so stark gewesen sein, dass Teile der Straße erst mit Bulldozern wieder freigeräumt worden sind. Wir finden eine Stelle, die bewachsen ist und wo nicht auf Anhieb Wasserläufe zu sehen sind.
Gerade fangen wir mit dem Aufbauen an, als wir den ersten Donner hören. Also gibt es wieder die regen- und sturmsichere Variante und kaum sind wir fertig, fängt auch schon der Regen an. Mal schauen, wie es morgen früh aussieht, da der Regen bisher nicht stärker geworden ist und das Gewitter abzieht.
Heute ist uns aufgefallen, dass in den Schluchten die Menschen so sind, wie sie sonst eher in den Bergen sind. Es scheint so, als sei das Höhenverhältnis umgedreht und auch von der Natur her sieht es auf 200 m aus wie auf 1.200 m und dagegen ist die Höhe eher so wie ein Tal. Ein verwirrender Zustand. Das Fahren selbst ist beinahe entspannt.
Jetzt gibt es (wie immer) Nudeln mit Thunfisch.
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