Samstag, 1. Oktober 2011

1. Oktober 2011, 427

1. Oktober, Emmerich bis Flüren, 40km, 15555,05
 
Heute dürfen wir ausschlafen. Nachdem wir ja dem Bauern versprochen haben, sein Feld ganz sauber zu verlassen, machen wir das auch.   

Am Ende ist eh nie zu sehen, dass wir da gewesen sind, nur die platten Pflanzen brauchen dann eine Weile, aber hier rangieren sie unter „Unkraut“ und sonst suchen wir uns die Plätze ja so, dass wir möglichst wenig Pflanzen knicken.   

Die Strecke ist trotz des Fahrradweges, auf den wir uns dann doch trauen, nachdem die ersten Kilometer ok sind, gut. Wir machen einen Halt in ریز، آلمان (به آلمانی: Rees, Germany)‏ und genießen dort den Luxus eines leckeren Stückes Kuchen. Während wir da sitzen, werden wir angesprochen. Es ist ein begeisterter Motorradfahrer, der die Strecke gerne mit dem Motorrad fahren möchte und selber viele Radtouren gemacht hat. Überhaupt werden wir hier viel angesprochen, mit unserem Gepäck fallen wir wohl doch auf, obwohl es inzwischen ja echt wenig ist. Als wir bei einem Supermarkt noch Thunfisch für heute Abend kaufen, kommt Wolfgang mit einem Schoko-Nikolaus aus dem Supermarkt!   

Was es alles gibt! Wir werden wieder angesprochen, wo wir denn heute noch so hinwollen. Die Antwort „Wesel“ erstaunt ihn so, dass er meint, wir würden doch wohl eher längere Strecken fahren. Heute ist sie wirklich kurz. Wir entscheiden uns für einen Abstecher nach Xanten [ˈksantən], fahren mit der Fähre über den Rhein   

und essen am Marktplatz. Das Essen ist gut und sauteuer, die günstigen Marktstände entdecken wir zu spät. Dabei hätte es da Leberkäse gegeben, womit Wolfang seit Monaten allen, die ihn hören, in den Ohren liegt. Xanten ist richtig schön,   

so ein Unterschied zu Emmerich. Auch wenn wir Emmerich doch noch lieb gewonnen haben. Hinter Xanten reihen wir uns in den Stau für die Fähre ein.   

Das ist hier alles sehr organisiert, mit Fahrradständern in der Mitte. Als wir den Deich wieder hochfahren, werden wir von einem älteren Ehepaar mit Rädern angesprochen, was wir denn suchen. Als wir sagen: „den Campingplatz auf der Insel“, kommt als Antwort:
„Das haben wir uns gedacht. Ist der größte in Europa. Aber ganz vorne ist für sie Platz“. Wir nehmen den Deich, haben den Vorteil, dass wir durch die empfohlene Abkürzung vor allen anderen sind und so den Hundertschaften entkommen. Auf den ersten Blick sind wir schockiert. Campingwagen an Campingwagen, genau sieben Zelte. Aber die Herren an der Rezeption sind super nett und auch ansonsten herrscht in diesem Gedränge und der Fülle eine entspannte Atmosphäre. Es ist klar, was geht und was nicht und die meisten schlendern hier so rum. Es gibt alles: einen Supermarkt, zwei Restaurants, am Abend die obligatorische Disko, sogar W-Lan auf dem ganzen Platz. Super Sanitäreanlagen. Auch wenn wir den Wald oder kleine Orte bevorzugen, ist das für diese Größe hier wirklich nett.
Wir sind immer noch gespannt, ob Gertrud oder Joachim zu uns stoßen. Ob und wann. Der Generalanzeiger-Artikel ist diesmal erfreulich gut. Nun sind wir also wirklich wieder in Deutschland. Es ist schön, sich wieder verständigen zu können, gerade auch in den kurzen Begegnungen, aber auch so im alltäglichen. Wir sind nun wieder im Besitz von Gepa-Kaffee, haben wir extra noch gekauft. Dabei ist der Campingplatz hier mit Gepa-Kaffee ebenso ausgestattet wie mit der Unterstützung von Don-Bosco-Projekten. Noch eine Überraschung für einen so großen Campingplatz.

30. September 2011, 426

30. September  Wijk bij Duurstede (Dutch pronunciation: [ˈʋɛi̯g bɛi̯ ˈdyːr.ˌsteː.də]) bis Emmerich am Rhein, 85,1km, 15515,0 Gesamtkm

Wir wollen früh losfahren, mit der Sonne wird es aber auch erst um 9:00 so richtig was.   

Ludger ist baden gegangen und kommt in großen Sprüngen über die Wiese gelaufen. Das Wasser war warm im Gegensatz zur Luft. Wir kommen um 10:00 los, der Deich bleibt uns treu. Dort sind wir die Könige:  

Nur die Essenslogistik lässt etwas zu wünschen übrig. Es gibt an dem Rheinweg tatsächlich keine Gastronomie. Wir versuchen es in einem ersten Dorf, vor dem zwei der schicken neuen Gazelle-Elektor-Räder stehen.     

Dort gibt es nichts, die einzige Gaststätte hat für eine Hochzeit eingedeckt. Wir können aber im Computer nachschauen, wann der Zug für Ludger ab Emmerich fährt. Ein Blick auf die Uhr sagt uns: es ist zu schaffen. Wir sausen ins nächste Dorf,   

finden einen Metzgerei und einen Bäcker und picknicken unter einem großen Baum. Wir nähern uns nun wirklich Deutschland und es ist zu allererst daran zu merken, dass die Radwege unsinnig werden. Wir werden unnötige Steigungen hinauf- und hinuntergeführt und einmal haben wir den Weg verloren. Wir sehen oben über uns Fahrradfahrer auf dem Deich und einen Rasen vor uns. Durch diesen gehen viele Radspuren. Wir sind nicht die ersten, werden wohl auch nicht die letzten sein und schieben wacker den Deich hoch. Dass wir kurz darauf in Deutschland sind, kriegt nur Wolfgang mit. Erst das Schild „Naturschutzgebiet“ weist eindeutig darauf hin.    

Nun sind wir also wirklich wieder in Deutschland und sofort sind die Radwege unbenutzbar. Wir müssen durch Schafsperren durch, mit dem Wagen unmöglich, mit Gepäck so gut wie unmöglich. Nicht nur wir mühen uns ab.    

Als die dritte Sperre kommt, weigern wir uns und fahren auf die Straße. Ludger bekommt den Zug, der für ihn am besten war und wir hoffen, dass alle pünktlich sind und er mit dem Rad auch hineinkommt. Schließlich ist es Freitagnachmittag vor einem langen Wochenende. Wir haben die Zeit total genossen.
Nun machen wir uns auf die Suche nach einem Frisör. Der Weg führt uns durch die Fußgängerzone in Emmerich. Die wenigen hundert Meter sind niederschlagend. Viele Läden sind leer, die anderen Billigläden, die Leute wirken wenig glücklich, es ist laut, wir werden direkt von Jugendlichen angepöbelt. Ist das also Heimat und Zukunft? Uns ist eher zum Heulen zu mute. Mit Mühe finden wir einen Frisör. Die Matrone der Zunft ist unfreundlich bis zum Abwinken und macht deutlich, dass sie nun wirklich keine Zeit hat, aber vielleicht die Kolleginnen im Herren-Salon. Diese sind total nett und eine der beiden hat Zeit. Wolfgang bekommt den 6 mm Schnitt, sehr zu ihrem Leidwesen, sie hätte so gerne mit den Haaren etwas gemacht. Gunda bekommt einen total gut geschnittenen (mit dem Messer!) Kurzhaarschnitt. Die Begegnung mit den beiden heitert uns wieder auf. 

Wir finden einen Aldi-Süd und eine Tankstelle mit einem ganz netten Tankwart, auch das tut gut. Das nächste Maisfeld hinter Emmerich ist unseres. Wir wollen gerade aufbauen, als der Bauer kommt. Dass wir da zelten ist ihm ziemlich egal, solange wir den Müll mitnehmen. Machen wir. Die Nacht ist sternenklar, das Schlafen ein wenig mühsam, da wir quer zu den Maisreihen liegen und es daher zugeht wie im Wattenmeer.

29. September, 425

29. September Amsterdam-Zuidoost bis Wijk bij Duurstede (Dutch pronunciation: [ˈʋɛi̯g bɛi̯ ˈdyːr.ˌsteː.də]), 66,6km, 15429,96 Gesamtkm

Um 7:00 Uhr ist es nicht nur dunkel, es ist auch kalt. Das Zelt ist nass. Wir schlafen bis 8:00, die Sonne kommt hervor und um 9:00 wird es warm. Mit Frühstücken und Quatschen ist es schnell 11:00. Wir fahren in einen weiteren wunderschönen Herbsttag hinein, entlang der Fahrradwege, durch viel Grün.   

Fahrradwege, die gut gestaltet und sinnvoll geführt sind.    

Wir kommen wieder an wunderschönen, sehr großen und sehr teuren Häusern und ihren Autos vorbei    

und erreichen Urtecht just in dem Moment, in dem der Muezzin ruft. Das ist eine Überraschung und wir genießen es. Überhaupt ist Utrecht wirklich schön.    

Es gibt eine Unmenge von Cafés in der Innenstadt, alle sind sie besetzt. Leute sitzen draußen und essen und trinken.    

Fahrräder schieben sich vorbei, abgewechselt von Touristen und dem einen oder anderen Auto. Wir wissen; wir sind wieder in Europa und wissen auch, wieso wir so gerne in Europa sind. Der Dom ist leider geschlossen. Der Weg führt uns zum Deich und zum Rhein, auf diesem (also dem Deich) fahren wir weiter, sind die Könige hier oben. Es ist einfach schön. Kühe, Schafe, Weiden und Wiesen, Scharen von wilden Gänsen, die sich hier sammeln und bald weiterziehen werden (haben wir uns nicht erst in Dushanbe gesehen?), echte Hasen. Es ist traumhaft schön.
Unser Campingplatz ist leer, wir haben viel Platz, diesmal ist es ruhig, kein Auto in der Nähe, dafür Wasser und die Gänse.    

Wir kochen lecker und fallen bald müde auf die Matten.

28. September 2011, 423

28. September フランクフルト・アム・マイン (Frankfurt am Main) nach Amsterdam-Zuidoost, 28,1km, 15363,15
 
Die Fahrt ist schön. Der Westerwald liegt im dichten Nebel und überall ist es herbstlich mit einem unglaublich blauen Himmel. Es ist eine verwunschene Atmosphäre, die am Fenster vorbeirauscht. In Köln ist Aufenthalt und es kommt eine Durchsage, dass man auf sein Gepäck achten möge wegen der Taschendiebe. Die gäbe es wirklich, so der Herr am Vierertisch. Wir sind nicht mehr in Asien. Ein Mann muss den Zug verlassen (war aus Kulanz bis Köln mitgenommen worden, obwohl er ein Regionalticket hatte), macht auf dem Bahnsteig nach Theater, wird handgreiflich. Wird gefasst und festgehalten von den Schaffnern (er wollte dann doch wegrennen), es folgt ein Tumult, Geschrei. Die Polizei wird gerufen. Die Abfahrt verzögert sich. Wir sind in Deutschland.
Dann geht es weiter, in Duisburg kommt Alex zum Zug und gibt uns den Strichcode für die Räder. Wir bekommen den Zug zum Flughafen und steigen aus und werden von Ludger begrüßt! Was für eine Freude! Das ist total klasse und wir machen uns auf den Weg, um die Räder zu holen und sie dann vor Ort zusammenzubauen. Es muss sehr lustig aussehen, denn viele bleiben stehen und staunen.   

Es gibt keinerlei Hinweise, dass wir vielleicht ein bisschen viel Platz einnehmen oder ähnliches. Bald können wir los und fahren durch den Grüngürtel von Amsterdam. Unser Eindruck: es ist nachmittags um 17:00 Uhr und viele, viele Menschen haben Zeit. Sie machen Sport. Oder sitzen in der Sonne und lesen. Es sind nicht nur die Senioren und die Mütter, wie es in Japan war. Viele sind mit dem Rad unterwegs und wir kommen durch wirklich schöne Gegenden. Und durch unterschiedliche Gegenden. Eine Straße voller kleiner Wohnungen nur mit Farbigen. Dann kommt eine kleine Brücke über einen der vielen Kanäle, dort hängt ein Schild, in dem eine Frau mit Kopftuch abgebildet ist und am Hals geht das Schild auseinander, so dass der Kopf sich nach rechts neigt und darauf steht: protest veiling women. Danach kommen wir in eine Siedlung nur mit weißen Menschen.
Unser Campingplatz liegt am Rand von Amsterdam und ist total nett. Ein wenig laut, sonst schön. Es ist recht kühl und feucht, der Nebel steigt auf. Wir kochen Nudeln, quatschen bis uns die Augen zufallen.

27.-28. September 2011, 424, 423


27. - 28. September September Osaka nach Shanghai und Frankfurt

Wir können den Vormittag in der Jugendherberge bleiben und ziehen dann los. Wir werden herzlich verabschiedet und uns fällt der Abschied von dieser Jugendherberge auch schwer. Es ist ein guter Ort, der sowohl professionell als auch unkompliziert geleitet wird. Diesmal haben wir mit dem Zug keine Probleme. Wir sind viel zu früh am Flughafen und können die Zeit nutzen, unsere „Favoriten 1“ Auswahl der Fotos weiterzumachen. Bis Shanghai sind wir gekommen.
Das Einchecken ist gar kein Problem. Wir haben zwar insgesamt fast sechs Kilo Übergewicht mit dem Wagen und der einen Tasche, aber das wird nicht weiter beachtet. Unsere Sättel im Handgepäck lösen Irritation aus, sonst ist alles kein Problem. Wir sind angenehm überrascht von der chinesischen Fluggesellschaft, doch noch eine gute China-Erfahrung. Auch in Shanghai läuft alles wie am Schnürchen. Dort ist der Gewichtsmesser am Gepäckband erst gar nicht eingeschaltet.
Der Langstreckenflug ist wirklich lang, viele Turbulenzen, es gab mal wieder einen Taifun wie wir später erfahren. Durch den langen Flug können wir schlafen. Auch diesmal überrascht uns die Fluggesellschaft. Wir werden mit der Durchsage der Beijing-Zeit begrüßt, die Frankfurter Ortszeit kommt hinterher. Nun sind wir also wieder in Deutschland, fühlen uns aber eher exterritorial am Flughafen. Wir kaufen die erste Bahncard und Wolfgang holt das Geld für die zweite, während Gunda in der DB-Lounge die Zeitungen verschlingt. Hier treffen sich wie immer die Anzugherren mit den Urlaubs-und Dienstreise-Zurückkommern. In der Lounge ist aber alles vornehm gedämpft und jede Gruppe steckt ihre Köpfe in die Zeitungen oder die Computer (oder die Kaffee-Tassen). Am Bahnhof ist das dann schon anders. Dort verläuft alles in der gestressten Weise, weil Züge ausfallen, Verspätung haben oder in umgekehrter Wagenreihung eintreffen. Deutschland hat uns wieder. Gunda fährt diesmal zum Hauptbahnhof, um dort in den ICE nach Amsterdam zu steigen und einen Platz frei zu halten. Der Zug ist überfüllt, alles steht, bis auf in der ersten Klasse, die vorne ist. So steht sie zwischen den Urlaubern, Anzugherren und zwei Theologen. Schön ist es, incognito zu reisen!