Donnerstag, 11. November 2010

8.-11. November - 100, 101, 102, 103

10. und 11. November  Şanlıurfa ([ʃanˈlɯuɾfa], arabisch ‏الرها‎, DMG ar-Ruhā, kurdisch Riha, syrisch-aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy)
 
Heute morgen beschließen wir, dass wir noch einen Tag länger in Şanlıurfa (arabischالرها‎, DMG ar-Ruhā, kurdisch Riha, syrisch-aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy) bleiben. Wolfgang hat sich aus dem Essen irgendwas eingefangen und liegt daher mit leichtem Fieber und Durchfall im Bett. Außerdem wollen wir uns unbedingt Göbekli Tepe, die älteste bekannte Tempelanlage der Welt, anschauen. So gehen wir heute nur am Nachmittag für einen kurzen Spaziergang in die Stadt, die sehr schön ist.


Wir gehen durch das Gassengewirr vorbei an lauter kleinen Geschäften und noch kleineren Gassen, aus denen einen immer Kinder und Katzen anschauen.


Die Stadt ist so alt, dass sich die verschiedenen Kulturen und Einflüsse noch wiederspiegeln.


In allem eine bunte Mischung an Kleidung und Kopftüchern, wobei die Männer beinahe öfters eines tragen als die Frauen. Hier ist es üblich, auf kleinen Hockern sich sein Essen selbst zu „bauen“, man entscheidet sich für einen Fleischspieß, das obligatorische Grünzeugs und das Brot liegt auf dem Tisch, ebenso Messer und Brettchen. Zunächst dachten wir, dass das nur für die Touris gemacht ist, aber es sitzen alle möglichen Menschen auf den Höckerchen.
Anstrengend bleiben die Kinder, die mit lautem „Hello, hello, money, money“ hinter uns her laufen. Inzwischen, heute ist ja der 11.11., antworten wir ab und an mit „Alaaf“. Vielleicht nicht ganz nett, aber nach dem 30. „Hello, hello, money, money“ geht uns ein wenig die Empathie ab. Dennoch ist die Zahl der Straßenkinder überschaubar, es scheinen eingeteilte Reviere zu sein, die um das Hotel herum kennen wir bereits und sie uns und wir werden in Ruhe gelassen. Bei allen anderen ist ein Teil einfach auch das so andere Aussehen von uns, vor allem von Gunda.
Am Abend bereiten wir die weitere Reise vor, suchen gute Karten für den كۆماری عێراق und den ايران und wollen mal eben die Tabelle verschicken. Das Mal eben wird eine abendfüllende Aktion, weil das mit dem Adressen nicht klappt. Irgendwann haben wir es raus, und nun wird es in Zukunft leichter. Wir genießen die freie Zeit, in der wie solche Dinge und auch die gesamte Wäsche waschen in Ruhe tun können.
Heute wollen wir endlich Balıklıgöl aufsuchen, wo ‏إبرَاهِيم der Legende nach mitsamt den glühenden Kohlen auf denen er wegen seines Glaubens verbrannt werden sollte, wieder gelandet ist. Die Kohlen sind nun Karpfen. Überhaupt ist die Stadt so etwas wie ein Zentrum religiöser Pilger aller drei abrahamitischer Religionen, wenngleich die christlichen Kirchen allesamt zerstört sind bzw. die einzige existierende als Gefängnis genutzt wurde und nun auch noch kaum auffindbar ist. Heute sind wir dann zur Tempelanlage gefahren,


die ungefähr 16 km außerhalb auf dem höchsten Teil des Gebirges nördlich von Şanlıurfa liegt,

Eine beeindruckende Anlage, die älteste bekannte, ungefähr 11.000 Jahre alt. Es sind Pfeiler mit Reliefs zu erkennen.


Wir werden sehr dezent von einem Jungen geführt. Es ist eine Anlage, die als solche atemberaubend ist und zudem noch in einer wunderschönen Landschaft.


Nett ist, dass dort extra Kamele für die Touristen liegen, die sich von uns aber nicht weiter stören lassen.


9. November Birecik nach Şanlıurfa ([ʃanˈlɯuɾfa], arabisch ‏الرها‎, DMG ar-Ruhā, kurdisch Riha, syrisch-aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy), 84,24 km, 5249,5 Gesamt km

Datum: 9.11.10
Tag: 101
TagesunterstützerIn: "Basisgeminde Frankfurt
c/o: Dr. Thomas Seiterich"
von: Birecik m NN 381
nach: Sanli Urfa m NN 535
km 84,24
Gesamt km 5183,2725 km/h: 11,25
Fahrzeit 07:29
gesamte Fahrzeit: 391:09:00
Anstieg in m pro h 139,91
Anstieg in m 1047 Abfahrt in m: 893
höchster Punkt in m NN 817
Steigung/Gefälle 2,30 
Heute fahren wir in der Morgensonne über den Firat und dann direkt den Berg hinauf zum ersten Pass. Die Gegend ist komplett für die Landwirtschaft genutzt, überall Felder und wieder riesige Plantagen. In der Ferne sehen wir den Birecik-Staudamm,

der als letztes in dem Großprojekt fertig geworden ist. Nun stehen immer noch einige Staudämme aus.
Selbst auf dem Pass sind Felder, wenngleich dort nur ein Stück Wald ist. Wenn Wald gepflanzt wird, dann wächst er auch. Es ist extrem windig und so kämpfen wir uns gegen den Wind und bekommen – obwohl es bergab geht – nur einen Schnitt von 10 km/h. Wir kommen durch ein Dorf und füllen unsere Wasservorräte beim Laden auf. Seit Tagen haben wir schon keine Quelle mehr gesehen. Wir bekommen einen Tee angeboten und haben so die Möglichkeit, ein wenig mit Ruhe das Dorf anzuschauen. Der Laden ist auf der Seite der Moschee und zum ersten Mal ist der Kühlschrank davor vergittert und abgeschlossen. Eine Gruppe von kleinen Schulkindern steht neugierig in einiger Entfernung und schaut uns an. Gegenüber sind Kinder in demselben Alter, die keine Schuluniform tragen und vor einem Haus sitzen, das am Eingang zur Straße ist, die auf einen Hügel führt. Männer, die aus dem Bus aussteigen, wechseln die Straßenseite, um an dem Hügel nicht direkt vorbeizugehen. Wir nehmen das wahr und fahren nach dem Tee weiter. Es ist eine Gegend, in der wieder die Tankstellen alle verfallen sind. Nach einer Weile finden wir eine mit Restaurant und kommen an der Schule vorbei die gerade zur Mittagszeit aus ist. Es rennen eine Schar von Schülern schreiend hinter uns her und wieder fliegen die Steine. Wir fragen uns langsam, was das eigentlich soll und merken, dass wir mit der Freundlichkeit der Erwachsenen immer weniger anfangen können, wenn die Kinder Steine werfen. Gestern sind wir auch an drei Jungs vorbei gekommen, die die Taschen voll Steine hatten, sich dann aber doch nicht getraut haben zu werfen.
Nach dem Mittagessen fahren wir durch eine kargere Gegend, in der es auch Schneekettenpflicht gibt. Dennoch gibt es Felder und Plantagen, aber sie sind weniger groß oder immer wieder durch Steine und Berge unterbrochen. Zum Teil ist es aber auch nur noch Steppe. Je weiter wir nach Osten kommen, desto häufiger wird die Steppe - zugleich sehen wir, dass das Bewässerungssystem nicht mehr mit den Viadukten funktioniert, sondern unterirdisch gelegt ist. Der Wind ist immer noch sehr stark und wir werden über Tal und Hügel geführt. Wir entscheiden, bis Şanlıurfa (arabischالرها‎, DMG ar-Ruhā, kurdisch Riha, syrisch-aramäisch ܐܘܪܗܝ Urhoy) zu fahren, auch wenn es dann dunkel sein wird. Kurz vor Urfa ist die Landschaft nur noch Steppe und sehr hügelig. Es ist eine fast unwirkliche Landschaft, nochmal verstärkt durch das Licht der untergehenden Sonne. Wir fahren nach Urfa hinein und finden ein Hotel, wo wir die Räder im Hotel unterbringen können – wenngleich der Manager darüber nicht froh aussieht.

8. November Gaziantep nach Birecik, das alte Birtha (syrisch-aramäisch für Palast), 64,39km, 5165,1 Gesamt km

Datum: 8.11.10
Tag: 100
TagesunterstützerIn: "Basisgeminde Frankfurt
c/o: Dr. Thomas Seiterich"
von: Gaziantep m NN 862
nach: Birecik m NN 381
km 64,39
Gesamt km 5099,0325 km/h: 15,7
Fahrzeit 04:06
gesamte Fahrzeit: 383:40:00
Anstieg in m pro h 64,63
Anstieg in m 265
Abfahrt in m: 746
höchster Punkt in m NN 876
Steigung/Gefälle 1,57

Der Weg aus Gaziantep ist leicht und angenehm. Doch zunächst frühstücken wir wieder im obersten Stockwerk und haben daher einen Blick auf einen großen Teil von Gaziantep. 


Das Frühstück ist insofern heiter, als dass die meisten Hotelgäste deutsche Männer auf Montage sind. Vor uns sitzt ein Vierertisch, die sich lauthals über die schlampigen Türken unterhalten. In der gesamten Türkei ist in Restaurants und allen Gebäuden (leider nicht in Hotelzimmern) Rauchverbot, über dieses setzen sie sich aber einfach hinweg. Es ist eine eher unangenehme Nachbarschaft, die zugleich uns aber auch immer wieder erheitert, weil sie so typisch deutsch ist. Etwas später kommen weitere Männer dieser Firma, die aber eine andere Position besitzen und auch woanders herkommen (die ersten aus Bayern und Sachsen, diese jetzt aus Nordrhein-Westfalen). Die Hemdträger warten, bis die anderen weg sind, bevor sie ein eher dezentes Gespräch starten. In der Nacht ist in der gesamten Straße der Strom ausgefallen, so dass überall Generatoren laufen. Auch das löst bei den vieren völliges Unverständnis aus. Wir kennen das ja bereits und benutzen weiterhin mutig den Aufzug. Das Hotel war insgesamt sehr angenehm.
Also fahren wir aus Gaziantep hinaus und immer an der neu in Betrieb genommenen Eisenbahnstrecke Gaziantep-Mossul entlang in Richtung Fırat. Es ist wieder eine Gegend, die sehr trocken ist und wo dennoch überall Bäume gepflanzt werden. Die Äcker sind alle gepflügt und fügen sich meistens den Felsen und Steinen, die es in Massen gibt. Es gibt eher wenige Häuser, dafür aber riesige Olivenplantagen. Es ist Olivenernte und am Straßenrand werden Säckeweise Oliven verkauft. Wir bekommen immer die Ernten mit, weil sie am Straßenrand verkauft werden. Auch in den kleinen Läden gibt es meistens nur, was gerade regional geerntet wird. Zum Mittag sind wir in einer Luxusvariante eines Tankstellenrestaurants – mit Hamam. Viele Tankstellen und viele Häuser sind verfallen und leer, in diesem Fall fordert die Autobahn parallel dann doch ihren Tribut. Je näher wir dem Fluss kommen, desto mehr Städte und Dörfer gibt es. Wir fahren durch eine Stadt, die an der Straße aus lauter unfertigen Häusern und vielen, vielen (Klein-)Kindern, die auf der Straße und an den Tankstellen sind. Wir fühlen uns nicht so richtig wohl und fahren weiter. Bei der Ausfahrt erahnen wir, dass die Stadt jenseits der Bahnlinie sehr schön sein muss. Auf den Eufrat zu zu fahren ist für uns doch ein besonderes Gefühl da Eufrat und Tigris so viel Zeit im Lernen der Religion eingenommen hat. Auch wenn wir gleichzeitig immer stärker den Eindruck gewinnen, dass eine symbolische oder eher spirituelle Erzählung und Begründung von Religionen doch deutlich friedensstiftender wäre als an konkreten geographischen Gegebenheiten festzuhalten, ist der Anblick des schnell fließenden Stromes als Fluss sehr schön und eben auch von den vielen Geschichten. Auch das hat seine eigene Ambivalenz.
Wir beschließen kurzfristig, dort zu bleiben da es ein ganz günstiges Hotelzimmer gibt und können so noch zum Fluss gehen. 




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