Mittwoch, 29. September 2010
21.-28. September 2010 - 052, 053, 054, 055, 056, 057, 058, 059
28. September Alexandroupoli (griechisch Αλεξανδρούπολη (f. sg), älter auch Alexandroupolis Αλεξανδρούπολις, türkisch Dedeağaç, bulgarisch Dedeagatsch Дедеагач, gr. bis 1920 Dedeagats Δεδέαγατς) – Kamariotissa (griechisch Καμαριώτισσα (f. sg)), 3,9km, 3515,1 Gesamtkm
Datum: 28.9.10
Pannen: Am Morgen ist zunächst das Hinterrad von Gunda platt, dann auch das von Wolfgang, das Geflickte von Gunda wieder platt und dann das Geflickte von Wolfgang.
Die Dornen tun immer noch ihre Arbeit. Zudem fällt beim Flicken auf, dass der Mantel von Gundas Hinterrad durch die schlechten Straßen bereits einen Schaden hat obwohl es ein neuer Mantel ist (und der alte nach über 5000 Kilometern auf Straßen nichts hatte). Wir werden in Instanbul wohl einen neuen kaufen müssen.
So fahren wir mit weichem Reifen die nur 3 Kilometer zum Hafen und diesmal bekommen wir das Schiff.
Die Überfahrt dauert gute 2 Stunden und wir sehen unsere Geo-Strecke noch einmal vom Meer aus. Um das Schiff spielen für einen kurzen Moment Delphine, sonst sind es vor allem die Möwen, die absahnen.
Auf der Insel finden wir eine kleine Pension und werden die zwei Tage mit Ausruhen, Fahrräder flicken und schrauben, Wäsche waschen und Planung verbirngen.
27. September Messimvria – Alexandroupoli (griechisch Αλεξανδρούπολη (f. sg), älter auch Alexandroupolis Αλεξανδρούπολις, türkisch Dedeağaç, bulgarisch Dedeagatsch Дедеагач, gr. bis 1920 Dedeagats Δεδέαγατς) 30,8km. 3511,1 Gesamtkm
Datum: 27.9.10
1. Panne: der andere Reifen an Wolfgangs Wagen ist platt. Die Dornen leisten ganze Arbeit! In den anderen Reifen stecken auch noch Dornen.
Der Morgen ist sonnig und klar und nachdem wir gesehen haben, dass „normale“ Autos den vor uns liegenden Weg befahren haben, haben wir die Hoffnung, dass der Weg nicht mehr ganz so schlimm wird.
Es beginnt direkt mit einer Steigung und nach der ersten Bucht geht es mit der nächsten Steigung weiter. Im Fahren-Schieben-Takt erreichen wir die Vorboten des Dorfes: eine asphaltierte Straße. Zuvor sind wir an einer funktionierenden Quelle vorbei gekommen, nachdem die einzige, die wir gestern gesehen haben, versiegt war. Wir folgen dem Asphaltweg und fahren direkt auf eine Ausgrabungsstätte zu, die durch einen Zaun gesichert ist. Es ist ein großes Gelände am Meer.
Der Nachteil: die Straße wird umgeleitet über den Hügel mit 18%. Es ist irre heiß und wir haben einfach keine Lust und schieben.
Danach geht die Straße in sanften Hügeln am Meer entlang. Es gibt zwei große Kasernen auf dem Weg. Ansonsten fällt uns hier wieder auf was uns bereits in Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina) und den Weg danach aufgefallen ist: die Häuser sind mit riesigen Zäunen und Mauern gesichert, selbst bei Mehrfamilienhäusern ist ein Gitter vor dem Eingang.
Noch vor der Stadt sehen wir unser Schiff – wir sind 40 Minuten zu spät! Am Hafen erfahren wir die Abfahrtzeiten der nächsten Tage und trinken das teuerste Bier unserer Reise in einer völlig überschickten Bar. Es gibt einen Campingplatz direkt am Meer, unser erster Campingplatz seit Tamsweg! Wir können alles aufhängen, trocknen und lüften lassen und selber ins Meer gehen (nur Gunda). Jetzt gibt es ein paar freie Tage!
26. September Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina) – Messimvria, 41,48 km, 3479,7 Gesamt km
Datum: 26.9.10
1. Panne: Platten an Gundas Hinterrad durch Dornen
2. Panne: Wolfgangs Badelatschen fallen dem Schlamm und seinem Gewicht zum Opfer.
In dieser Nacht ist ein Gewitter mit heftigem Regen über uns weggezogen. Es hat zur Folge, dass sich unser Baumwollfeld in einen Schlammort verwandelt hat, der zudem noch die Herausforderung in sich hat, dass Mäuse den Boden mit zahlreichen Gängen unterhöhlt haben. Ständig sacken wir mit den Füßen tiefer, am Abend noch in trockenen Boden, jetzt in Schlamm. Zudem hat der Dornenstrauch diesmal in Gundas Hinterrad einen Loch provoziert. Wir schaffen es, unter erschwerten Bedingungen dennoch um 9:00 aufzubrechen. Wir können das Zelt nur zu einer Seite öffnen, da auf der einen Seite der Dornenstrauch ist. Auf der anderen Seite beginnt direkt eine Reihe Baumwollpflanzen, um die wir herumbalanzieren – immer in der Gefahr, in der Mäuseetage zu landen. Dazu stürmt es und der Himmel ist zur einen Seite pechschwarz, zur anderen sogar manchmal blau. Wir stürzen uns in den Wind und müssen uns jede Stunde abwechseln, da es sonst nicht zu schaffen ist, vorne zu fahren. Der Wind ist beinahe irrwitzig. Nach drei Stunden kommen wir an der Abzweigung an, wo der Weg an der Küste beginnt. Wir haben je eine unterschiedliche Vorstellung vom Weg und beide bestimmt eine andere Vorstellung vom Zustand gehabt. Am Beginn des Weges steht ein Informationsschild über die geologischen und archäologischen Schätze am Weg. Nach einer Stunde und knappen drei Kilometern machen wir Rast in einem wunderschönen alten Olivenbaumgarten und kochen Nudelsuppe.
Uns ist klar, dass wir die Hafenstadt nicht erreichen werden, sondern mit viel Glück das nächste Dorf und sind einigermaßen gefrustet, da wir uns sehr auf den freien Tag gefreut hatten. Nachdem sich aber an der Situation nichts mehr ändern lässt und wir wenigstens so viel Wasser haben, dass wir es bis zum Abend recht gut schaffen, fahren wir nach einer Mittagspause weiter. Der Weg ist in einem abenteuerlichen Zustand, für Geländewagen wahrscheinlich ok. Wir schleichen den Weg entlang und müssen anhalten, um die Schönheit wahrzunehmen.
Immer wieder gibt es Ausgrabungen antiker Städte und irre Steinformationen. Das Meer ist nah und oft zu hören. Wir fahren langsam, aber beständig weiter und wenn es gar nicht mehr geht, schieben wir halt. Zum Teil müssen wir schieben, weil der Weg so schlecht ist, zum Teil weil es so steil ist. Nicht mehr fahrbar ist mittlerweile ausgedehnt auf 18%.
Irgendwann sehen wir das Dorf in einer Bucht vor uns
und nach weiteren 1,5 Stunden sind wir da. Auf dieser Strecke sollte die Autobahn gebaut werden und in der Nähe des Dorfes ist auch schon begonnen worden, die Trasse in den Berg zu sprengen. So ist immer wieder eine Bergsprengung zu sehen und an einer Stelle ist auch die Straße schon gebahnt worden, dann aber abgebrochen an einer Stelle, wo es sicherlich eine Brücke über ein kleines Delta gegeben hätte. So ist dieser Streifen Küste sicherlich einer der wenigen ursprünglichen in Griechenland (griechisch Elláda, Ελλάδα [ɛˈlaða]; formell Ellás, Ελλάς ‚Hellas‘; amtliche Vollform Ellinikí Dimokratía, Ελληνική Δημοκρατία Hellenische Republik[5]) und von einer wilden Schönheit. Uns tut es gut nach gestern, weder Hunde noch Kinder auf dem Weg anzutreffen.
Am Abend sind wir im Strandteil des Dorfes, dort gibt es einen Campingplatz, der aber keinerlei sanitäre Anlagen hat, einige Ferienhäuser und einen Garten mit Wohnmobilen und einer Dusche. Wir wissen nicht so recht, was das ist, schlagen da aber unser Nachtlager auf. Die Hafenstadt werden wir dann morgen erreichen. Heute haben wir noch Ideen entwickelt, wie wir unser Gepäck besser sichern können, ohne dass es zu viele neue Handgriffe sind. Denn je länger wir die Situation im Roma-Dorf Revue passieren lassen, desto deutlicher wird, wie viel Glück wir hatten. Jetzt sind die Gepäckstücke, die nicht durch Schlösser gesichert sind, weil sie immer am Rad bleiben, mit den Fahrradschlössern ganz einfach, aber effektiv gesichert.
25. September Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)) – Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina), 89,54km, 3437,7 Gesamt km
Datum: 25.9.11
Bis auf einen leichten Regen hat der Barometersturz am Tag zuvor nur zur Folge, dass es bewölkt ist. Mit angenehmen Temperaturen und leichtem Gegenwind fahren wir munter los mit dem erreichbaren Ziel vor Augen, in zwei Tagen auf dem Schiff zu sein. Da ahnen wir noch nicht, dass der Tag eine ganz andere Wendung nehmen wird.
Alles ist gut, bis wir in der ersten ernstzunehmenden Stadt uns verirren. Zunächst aber begrüßt uns in der Stadt ein durchaus ernstzunehmendes Straßenschild mit einem Richtungspfeil: Konstantinopel. Etwas 50m weiter steht eine Moschee. Wir fahren durch die Stadt, die ziemlich bunt und chaotisch wirkt und finden den Weg nicht zurück auf die Bundesstraße. Da wir die Richtung wissen und, dass wir die Bahn überqueren müssen, tun wir das in der Stadt und landen in einem zunächst „normal“ aussehenden Stadtviertel bis wir dann feststellen, dass der Stadteil fest in der Hand von Roma ist. Wir fahren weiter und die Straßen werden immer enger und die Menge der Kinder, die uns folgt, immer größer. Wir sind bereits wieder auf einer großen Straße, als wir den zweiten Fehler des Tages begehen: wir drehen um, da wir in die andere Richtung müssen. Eine Straße, die wie eine Verbindungsstraße aussieht, entpuppt sich als Labyrinth durch das Roma-Viertel. Die Horde Kinder wird inzwischen angeführt von einem Jugendlichen, der geistig behindert wirkt, aber körperlich absolut fit und immer schwankend zwischen uns beschützend und angreifend. Die Situation wird immer bedrängender und wir müssen da ja nun wieder raus. Auf dem Rad sitzend können wir uns nicht wehren, absteigen können wir nicht, nur schreien und beim Stehenbleiben schreien und Kinderhände wegschubsen. Es ist furchtbar. Das Geschrei ist immer hin so laut, dass aus einem Haus eine resolute Roma-Oma angerannt kommt, selber mit einer Dachlatte bewaffnet und für einen Moment hat sie die Kinder in Schach. Wir fahren los und haben es beinahe geschafft, als der Jugendliche im Affenzahn hinter uns her gerannt kommt. Wir beschleunigen noch mehr, aber er hat Wolfgangs Wagen erwischt und hält ihn fest. Wir sind gezwungen, wieder stehen zu bleiben. Erneut sind wir umringt von der Horde Kinder, diesmal ungeschützt. Wir schreien und schlagen um uns, aber es hilft nichts, egal wie ich mich wehre, der Jugendliche reißt mir die Seitentasche vom Leib, indem er so daran reißt, dass der Gürtel (aus Leder) zerrissen ist. Zum Glück ist nichts wesentliches da drinnen gewesen. In dem Augenblick war die Horde beschäftigt und wir ziehen ab. An der Tankstelle holen wir erst mal Luft und versuchen uns vom Schreck zu erholen.
Bei der Planung und vor der Reise haben uns Menschen vor Serbien (serbisch Србија/Srbija anhören?/i) und Bosnien (bosn., kroat. und serb. Bosna; kyrill. Босна) und vor allem Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë) gewarnt (an Ländern in Europa), keiner vor Ländern der EU… Bei der Weiterfahrt sind wir mit dem nächsten Problem konfrontiert: den Hunden. Diese sind hier um so vieles aggressiver und laufen auf die Straße und in den Verkehr hinein. Daher liegen am Rand eine Menge Kadaver. Nur sind wir kein Auto und müssen einige Male rasante Ausweichmanöver starten. Wir fahren weiter und kommen an unser Ziel, deutlich wachsamer und immer Hunde und Kinder im Blick habend.
Wieder sind wir in einem Land, in dem es Rechtssysteme gibt, die mit dem staatlichen Rechtssystem wenig zu tun haben. Während dies in Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë) uns als Reisende eher schützt, in Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia), amtlich Republik Mazedonien bzw. Republik Makedonien (maz. Republika Makedonija Република Македонија, alb. Republika e Maqedonisë) nicht betrifft, ist es hier ein Rechtssystem, in dem nur ausweichen geht.
Auffallend ist weiterhin gewesen, dass in jedem Ort eine Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘) mit Minarett (selten Minar[1] , richtiger arabisch منارة manāra ‚ursprünglich: Leuchtturm‘) zu sehen ist und der Muezzin (arabisch مؤذّن mu'adhdhin, DMG muʾaḏḏin) auch rufen darf. So stehen auf einer einen Straßenseite die Kirchen und auf der anderen die Moschee und wir fragen uns, wie wohl das Miteinander sich gestaltet. Wenn dann noch als dritte Gruppe Roma dazu kommen, hat so eine Kleinstadt direkt eine sehr eigene Dynamik. Wie eine Parallelgesellschaft, die durch so ein klar umgrenzten Stadtteil entsteht, in irgendeiner Form integriert oder was auch immer werden kann, wirft ganz eigene Fragen auf. Wir sind auf jeden Fall froh, dass am Abend vor dem Supermarkt nur zwei Kinder stehen und außerdem Security und wir mit viel Mühe einen Schlafplatz in einem Baumwollfeld hinter Büschen finden, wo weit und breit keine frei laufenden Hunde oder Kinder zu sehen sind. Morgen ist es eine kurze Strecke und diesmal sind wir wirklich reif für die Insel!
24. September Orfani (Greek: Ορφάνι, formerly Ορφάνιον - Orfanion) – Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)), 91,39km, 3347 Gesamtkm
Datum: 24.9.10
Die Nacht ist taghell, so hell ist der Vollmond, der durch Berge ungehindert scheinen kann. Selbst am Morgen ist der Mond noch da und wir brauchen keine Stirnlampen. Die Sonne muss sich durch eine Wolkendecke arbeiten, bis sie zu sehen ist. Bis auf einen Angler ist niemand am Strand. Wir haben die Nacht mit den Wellengeräusch sehr genossen. Die Straße führt uns immer wieder ans Meer und ein paar Meter über dem Meer entlang. Es ist eine sehr schöne Küste, die beinahe unberührt ist. Die parallel gebaute Autobahn nimmt der Bundesstraße den Verkehr und es ist so sehr außerhalb der Saison, dass fast alles geschlossen hat. Es ist alles schön, bis plöztlich die Schilder unserer Straße grün werden und eh wir uns versehen, sind wir schon wieder auf einer Autobahn gelandet! Die durch einen plötzlichen zugeschriebenen Identitätswandel zur Autobahn mutierten Straße verlassen wir und sehen beim Abfahren, dass sie aus der Gegenrichtung direkt als Autobahn ausgeschildert ist. Das ist schon eine lustige Verkehrsplanung. Auf diese Weise werden wir durch die Orte geführt und entdecken den ersten geöffneten Campingplatz. Wir wollen aber weiter nach Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)).
Plan: Mit einem Schiff auf eine der Inseln und mit dem Schiff zu einem anderen Hafen weiter im Osten wieder auf das Festland. Unsere Karte verzeichnet eine Menge Linien, die Homepage der Reedereien auch. Vor Ort sieht das dann ein wenig aus wie bei einem vielen bekannten Bahnunternehmen, wo viele Verbindungen einfach gestrichen sind. Also essen wir dort nur zu Mittag in einem Restaurant, in dem Busladungen voller griechischer Senioren und japanischer Touristen abgeladen werden. Wir hatten uns ja mit unserer Japanflagge eine aufgeregte Gruppe japanischer Touristen vorgestellt, aber die Guten waren von allem anderen so überwältigt, dass sie selbst, als wir an ihnen vorbeigeschoben haben, die Flagge erst spät entdeckt haben.
Die Straße zur nächsten Stadt verwandelt sich innerhalb weniger Kilometer erneut in eine Autobahn. Inzwischen sind wir ja routiniert und fahren mit dem Hinweis auf den nächsten Ort auf die nächste Bundesstraße- Diese bleibt Bundesstraße- Unser Plan, an der nächsten Tankstelle auf eine aktuelle Karte zu schauen, scheitert: an der nächsten Tankstelle hängt eine Karte, die vielleicht fünf Jahre jünger ist als unsere. Sie hat den Vorteil, dass der geplante Verlauf der Autobahnen eingezeichnet ist und wir sehen, dass eine Autobahn, die unsere Karte noch hat, nicht mehr geplant ist. Es ist interessant, dass sich die Wahnehmung von Ländern an zum Teil skurrilen Einzelheiten festmacht: die Frage, ob es beim Einkaufen Tüten umsonst gibt oder sie gekauft werden müssen, ob es Alternativen zu Autobahnen gibt, ob Tankstellen Wasser und Kaffee haben, wie die Ladenöffnungszeiten sind, natürlich wesentliche Frage wie: ist die Umgebung Minenfrei? Aber das ist ja bereits eine Frage, die sich in einem Kontext stellt, in dem sich viele andere Fragen auch stellen. Wir sind auf jeden Fall seit Slowenien (slowenisch Slovenija) in Tütenländern und unsere Mülltütenfrage stellt sich nicht mehr. Nun sind wir seit Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia), amtlich Republik Mazedonien bzw. Republik Makedonien (maz. Republika Makedonija Република Македонија, alb. Republika e Maqedonisë) auch in Autobahnländern, aber mit viel Toleranz.
Am Abend bekommen wir Wasser an der Tankstelle und stellen erneut fest, dass die Menschen hier an Tankstellen und in Läden deutlich wortkarger sind als am Fluss. Einen Schlafplatz finden wir in einer abgeernteten Obstplantage, nachdem wir fast zwei Stunden nur an Industrie und Ölraffinerien vorbeigefahren sind. Das Hinterland der Küste hat wenig von der Romantik der Küste, es ist der logistische und arbeitgebende Faktor.
Das Barometer fällt innerhalb einer Stunde dramatisch, wir sind gespannt, was das hier bedeutet und haben alles sturm- und regensicher verpackt.
23. September Serres (griechisch Σέρρες (f. pl.), älter auch Serre Σέρραι; bulgarisch Сяр/Sjar) - Orfani (Greek: Ορφάνι, formerly Ορφάνιον - Orfanion), 84,33 km, 3254,4 Gesamt km
Datum: 23.9.10
Heute Morgen sind es acht Grad, als wir um sechs Uhr aufstehen. Unser Nachtquartier ist in einem wunderschönen Obstgarten. Wir fahren den ganzen Vormittag durch die Flussauen, zwischendurch werden wir an die Ränder der naheliegenden Hügel geführt, so dass der Weg ein beständiges Auf und Ab ist mit ganz vielen kleinen Orten und Städtchen dazwischen. Es ist Baumwollernte und an den Wegen der geernteten Feldern liegen die weißen Büschel und der Wind spielt mit ihnen. Immer wieder mal sitzen in einer Stadt Tagelöhner und warten auf Arbeit. Nachwievor wechselt kleine Landwirtschaft mit riesigen Betrieben. Es ist eigenartig, nach den Wochen im Balkan mit den einfachen landwirtschaftlichen Geräten jetzt wieder die High-Tech-Geräte zu sehen. Neben Baumwolle werden Zuckerrüben (vermuten wir) geerntet. Außerdem ist Ernte der grünen Oliven. Die Flussarme, die wir überqueren, sind allesamt ausgetrocknet.
Als wir um 13:00 in einer Stadt halten, um etwas zu essen und ein wenig ratlos die vielen Cafés anschauen, kommt sofort wieder jemand auf uns zu und fragt uns in Englisch, was wir suchen. Auf diese Weise finden wir ein Restaurant. Heute ist es drückend heiß und es zeigen sich die ein oder anderen Wolken am Himmel. Am Nachmittag wagen wir uns erneut in die Hitze und folgen der Straße in ihren vielen Windungen und Auf und Abs. Es ist nicht ganz vorstellbar, dass das Meer so nah sein soll. Die Landschaft wird abwechlsungsreicher und die Hügel um uns höher. Der höchste Berg hier an der Küste ist bald ganz nah zu sehen. Dennoch ist auch auf jeder neuen erklommenen Anhöhe kein Meer in Sicht. Bald haben wir das Gefühl, am Ende der Welt zu sein und nur noch von antiken Ausgrabungen umgeben zu sein als plötzlich ein Tanklaster uns entgegengebraust kommt. Ermutigt denken wir, der muss irgendwo her kommen und sicherlich nicht aus der Antike! Also kämpfen wir uns weiter gegen den inzwischen aufgekommenen Gegenwind und erfahren Hügel um Hügel. Wie aus dem Nichts sind wir an dem Ort, der laut Karte am Meer sein müsste, der Mündung des Flusses und alles, was wir sehen ist ein im Bau befindliches Autobahnkreuz! Unsere Karte, 20 Jahre jung, hat ganz andere Straßen, hier gibt es wieder andere. Die kleine Straße unserer Karte ist jetzt Autobahn, die große Straße jetzt die kleine. Da wir heute mal keine Autobahn fahren wollen, entscheiden wir uns für die neue kleine Straße, auch wenn wir ursprünglich die Route der heutigen Autobahn nehmen wollten. Heute Abend sind wir froh um die Bauentscheidung der Griechen, denn die Straße am Meer führt uns direkt zum Meer
hin
und da der Campingplatz bereits auf Winter eingestellt ist, logieren wir jetzt neben einem Apfelbaum am Strand
und haben endlich keine Autogeräusche, sondern die Brandung in Hintergrund.
Der Ort lebt vom Tourismus und die Saison ist hier vorbei, so dass alle Häuser verrammelt sind und kaum noch Touristen hier sind. Im Sommer ist hier bestimmt viel los.
22. September Novo Selo (mazedonisch Општина Ново Село) - Strimeniko 89,29km 3170,0geskm
Datum: 22.9.10
Panne: Platten an Wolfgangs Wagen.
Heute früh waren es wieder nur 4 Grad, als wir aufgestanden sind. Es ist dann noch dunkel und unglaublich kalt. Aber noch wird es tagsüber gut warm, in der Mittagszeit fast 30 Grad. Als wir losfahren wollten, sehen wir, dass ein Reifen von Wolfgangs Wagen platt ist: Unser Nachtquartier ist direkt unter Dornenbüschen gewesen und obwohl Wolfgang beim Abstellen der Räder so aufgepasst und für die Dusche den Stamm von Dornen befreit hatte, ist der Wagen in eine Dorne gefahren. Wir finden die Dorne und so geht die Reparatur schnell.
Wir fahren durch eine bewaldete Gegend, im Gegensatz zu Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia) hat Bulgarien (bulgarisch България [bɤɫg'arijɐ], amtliche Bezeichnung: Republik Bulgarien, bulgarisch Република България) aufgeforstet und es ist unglaublich, welchen Unterschied das macht. Es ist schön, durch diese ganz eigen Frische am Morgen zu fahren. Die Gegend ist sehr fruchtbar und es wechseln kleine Gärten und Felder mit riesigen Feldern ab. Direkt nach unserem Losfahren werden wir von einem Polizeiauto überholt, das Patrouille fährt. Die Grenze ist eine EU-Außengrenze und als solche schon gut gesichert gewesen. Er fährt langsam hinter uns her und überholt ebenso langsam. Als die Polizisten die EU-Fahne sehen, die wir am Rad haben, werden sie schneller, winken und fahren - immer noch ziemlich langsam – weiter.
In der ersten Stunde kommen uns vor allem Pferdewagen entgegen, die Pferde sind gepflegt und die Menschen fahren fast alle zum Fluss hinunter. Erst in der Nähe der Stadt ändert sich das Aussehen der Pferde und die Wagen sehen weniger gepflegt aus und transportieren alles Mögliche. In der Stadt wollen wir Kerzen für unsere Zeltkerze erstehen. Im Laden funktioniert die Verständigung nicht und nach der Zeichnung bekommen wir Kerzen: es sind die Opferkerzen für die Ikonen. Der liebe Gott wird es uns verzeihen, wenn wir sie ganz profan im Zelt am Abend und am Morgen anzünden.
Heute haben wir Glück: abgesehen von einer kurzen Strecke sind die Straßen in einem guten Zustand, die eine sogar komplett frisch geteert. Wir sausen der bulgarisch-griechischen Grenze entgegen, die in ihrem Design noch richtig eine Ostblock-Grenze ist. Es ist eine regelrechte Wehranlage. Auf bulgarischer Seite ist gar keine Kontrolle mehr beim Verlassen des Landes, auf griechischer Seite sind strenge Kontrollen – Bulgarien ist noch nicht im Schengen-Abkommen. Unmittelbar hinter dem Schlagbaum beginnt ohne jede Vorwarnung die Autobahn. Wir fahren munter drauflos, denn wir gehen davon aus, dass es gleich eine Alternative gibt. Gibt es auch und nach 500 m sind wir wieder auf der Autobahn. Also bleiben wir drauf. Sie ist nagelneu und auch noch nicht fertiggebaut, denn sie endet ziemlich abrupt und führt hinunter auf eine Straße, die die alte Bundesstraße war und sich am Ende teilt und dort ein ziemliches Verkehrschaos mit viel Polizei verursacht, da es keinerlei Hinweise gibt, welche der zwei Straßen wohin führt (und für die Autofahrer: wo die Autobahn geblieben ist, die eigentlich zu sehen war und nun steht man plötzlich daneben). Wir fragen nach unserem Weg und werden lächelnd auf die Straße nach links hoch verwiesen. Die 10% Steigung nehmen wir inzwischen spielend, es ist noch ein wenig chaotisch als wir oben sind, dann wird klar, es ist wieder der Zubringer zur Autobahn! Inzwischen zeichnen sich dort aber auch andere Straßen ab, so überlegen wir, was wir machen. Wir entscheiden uns gegen die Autobahn, da sie doch nicht ganz in unsere Richtung geht und nehmen die kleine Straße. Mit unserem Theologen-Griechisch arbeiten wir uns durch die Straßenschilder und finden den Weg. Im nächsten Ort halten wir an, um etwas zu essen. Als wir suchend vor einem Café stehen, werde wir auf deutsch gefragt, was wir brauchen. Der Herr – er hat Jahrzehnte in Wuppertal gearbeitet – ruft im nächsten Café an, dort gibt es etwas. Dort übersetzt für uns jemand, der in Stuttgart gearbeitet hat. Es ist ein ganz ruhiges Essen ohne dauernd zu schauen, was mit den Rädern ist. Sehr entspannend nach dem so anderen Balkan.
Den Tag fahren wir durch die Flussauen, die riesig sind. Es ist sehr fruchtbar und es wird ganz viel Baumwolle abgebaut. Unsere kleine Straße entpuppt sich auch als große Straße, was für die Infrastruktur am Abend gut ist. In einem Supermarkt bekommen wir Wasser, der zuständige Herr hat 30 Jahre in Garmisch gearbeitet. Es ist faszinierend, auf so viele Menschen hier zu stoßen (alleine im Dorf sind es noch viel mehr gewesen), die so lange so wesentlich Deutschland geprägt und vieles von dem Reichtum und Wohlstand und dem hohen Lebensstandard jetzt ermöglicht haben. Im Alter sind sie dann wieder hier – was irgendwie auch gut zu verstehen ist.
21. September Štip [ʃtip] (mazedonisch Штип; bulgarisch Щип; türkisch İştip) – Novo Selo (mazedonisch Општина Ново Село), 94,49 km, 3079, 6 Gesamt km
Datum: 21.9.10
Der erste Tag ohne Durchfall und Fieber (Gunda), leider noch nicht die erste Nacht. Aber das Essen geht in kleinen Happen ganz gut und daher kommen die Kräfte langsam wieder. Es gibt noch einen Nachtrag zu Štip [ʃtip] (mazedonisch Штип; bulgarisch Щип; türkisch İştip), der ganz amüsant ist: Da ich (Gunda) die meiste Zeit im Restaurant mit Strom am Computer gesessen bin, konnte ich folgende Episode mitbekommen: Am Tisch neben mir sitzen drei Menschen, zwei aus Stip und ein ausländischer Geschäftsmann, vom Akzent im Englisch her deutsch. Es geht um irgendwelche Geschäfte und es wird richtig aufgetischt. Mir fällt auf, dass er dauernd aufsteht und weggeht. Ich denke zum Telefonieren. Dann bekomme ich mit, dass er jeglichen Alkohol ablehnt und sagt, dass es ihm schlecht geht. Dann erzählt er, dass seine Frau Brasilianerin ist und er in Brasilien sich noch nie so elendig gefühlt hat. In dem Moment schaue ich ihn ganz emphatisch an, das kann ich gut nachvollziehen. Er fragt nach einem Hotel und wird in das Hotel in der Stadt geschickt – das für uns ja voll war und für ihn nicht. Wir beide schmunzeln und überlegen, ob wir demnächst einen Anzug anziehen und dann nach der Übergabe des Zimmerschlüssels unsere Räder hervorzuzaubern…
Heute sind wir früh losgefahren (nach mazedonischer Zeit um fünf aufgestanden und um 7 losgefahren), um vor dem Mittag möglichst viel zu schaffen. Wir befürchten wieder von der Straße verwiesen zu werden, in der Tat gibt es Verbotsschilder, aber Räder sind nicht aufgeführt. Allerdings ist das unterste Schild auch abmontiert. So fahren wir vergnügt auf der Kraftfahrstraße, die hier Autobahnrang hat und genießen den guten Asphalt und die Kühle des Morgens. Es geht langsam hoch und die Straße führt durch eine durch Bewässerung unglaublich fruchtbare Ebene. Überall wird geerntet, auch die Samen dieser Pflanze, die wir nicht identifizieren konnten.
Wir kommen an einem Bergbau vorbei
und erreichen schnell den höchsten Punkt. Von dort geht es rasant wieder abwärts, bis die gute Straße von jetzt auf gleich in eine Kopfsteinpflasterstraße für mehrere Kilometer übergeht. Daneben wird die neue Straße gebaut. Ein Teil ist bereits fertig, so dass wir ihn befahren können und für ein paar (2-3) Kilometer dem Gehuckel entkommen, dafür aber im Feld landen und einen Feldweg zurück zur Kopfsteinpflasterstraße finden. Zum Glück hört sie auf und das unterste Verbotsschild ist wieder geklaut, so dass wir weiterfahren (Hätten wir so auch getan, denn es gibt keine Alternative). Am Mittag sind wir in der nächsten Stadt und können unsere Durchfall- und Fiebermedikamente auffüllen, finden sogar Postkarten. Nach dem Mittag geht es auf einer kleinen Straße (auch Bundesstraße, aber ganz anders, es ist zu merken, dass es da lange nicht wirklich weiterging) nach Bulgarien (bulgarisch България [bɤɫg'arijɐ], amtliche Bezeichnung: Republik Bulgarien, bulgarisch Република България). Es ist schön, endlich mal wieder einen Tag normal zu fahren und zudem noch auf recht einfacher Strecke. Nach der abendlichen Dusche gibt es jetzt Nudeln.
Datum: 28.9.10
Tag: 59
TagesunterstützerIn: AK Biblischer Tanz
von: Alexandroupoli m NN 3
nach: Kamriotissa m NN 10
km 3,9
Gesamt km 3469,6911
km/h: 9,08
Fahrzeit 00:25
gesamte Fahrzeit: 253:41:00
Anstieg in m pro h 24,00
Anstieg in m 10
Abfahrt in m: 3
höchster Punkt in m NN 10
Steigung/Gefälle 0,33 Pannen: Am Morgen ist zunächst das Hinterrad von Gunda platt, dann auch das von Wolfgang, das Geflickte von Gunda wieder platt und dann das Geflickte von Wolfgang.
Die Dornen tun immer noch ihre Arbeit. Zudem fällt beim Flicken auf, dass der Mantel von Gundas Hinterrad durch die schlechten Straßen bereits einen Schaden hat obwohl es ein neuer Mantel ist (und der alte nach über 5000 Kilometern auf Straßen nichts hatte). Wir werden in Instanbul wohl einen neuen kaufen müssen.
So fahren wir mit weichem Reifen die nur 3 Kilometer zum Hafen und diesmal bekommen wir das Schiff.
Die Überfahrt dauert gute 2 Stunden und wir sehen unsere Geo-Strecke noch einmal vom Meer aus. Um das Schiff spielen für einen kurzen Moment Delphine, sonst sind es vor allem die Möwen, die absahnen.
Auf der Insel finden wir eine kleine Pension und werden die zwei Tage mit Ausruhen, Fahrräder flicken und schrauben, Wäsche waschen und Planung verbirngen.
27. September Messimvria – Alexandroupoli (griechisch Αλεξανδρούπολη (f. sg), älter auch Alexandroupolis Αλεξανδρούπολις, türkisch Dedeağaç, bulgarisch Dedeagatsch Дедеагач, gr. bis 1920 Dedeagats Δεδέαγατς) 30,8km. 3511,1 Gesamtkm
Datum: 27.9.10
Tag: 58
TagesunterstützerIn: Thomas Pröpper
von: Messimvria m NN 3
nach: Alexandroupoli m NN 3
km 30,8
Gesamt km 3465,7911
km/h: 12,43
Fahrzeit 02:28
gesamte Fahrzeit: 253:16:00
Anstieg in m pro h 2,84
Anstieg in m 7
Abfahrt in m: 7
höchster Punkt in m NN 3
Steigung/Gefälle 0,05 1. Panne: der andere Reifen an Wolfgangs Wagen ist platt. Die Dornen leisten ganze Arbeit! In den anderen Reifen stecken auch noch Dornen.
Der Morgen ist sonnig und klar und nachdem wir gesehen haben, dass „normale“ Autos den vor uns liegenden Weg befahren haben, haben wir die Hoffnung, dass der Weg nicht mehr ganz so schlimm wird.
Es beginnt direkt mit einer Steigung und nach der ersten Bucht geht es mit der nächsten Steigung weiter. Im Fahren-Schieben-Takt erreichen wir die Vorboten des Dorfes: eine asphaltierte Straße. Zuvor sind wir an einer funktionierenden Quelle vorbei gekommen, nachdem die einzige, die wir gestern gesehen haben, versiegt war. Wir folgen dem Asphaltweg und fahren direkt auf eine Ausgrabungsstätte zu, die durch einen Zaun gesichert ist. Es ist ein großes Gelände am Meer.
Der Nachteil: die Straße wird umgeleitet über den Hügel mit 18%. Es ist irre heiß und wir haben einfach keine Lust und schieben.
Danach geht die Straße in sanften Hügeln am Meer entlang. Es gibt zwei große Kasernen auf dem Weg. Ansonsten fällt uns hier wieder auf was uns bereits in Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina) und den Weg danach aufgefallen ist: die Häuser sind mit riesigen Zäunen und Mauern gesichert, selbst bei Mehrfamilienhäusern ist ein Gitter vor dem Eingang.
Noch vor der Stadt sehen wir unser Schiff – wir sind 40 Minuten zu spät! Am Hafen erfahren wir die Abfahrtzeiten der nächsten Tage und trinken das teuerste Bier unserer Reise in einer völlig überschickten Bar. Es gibt einen Campingplatz direkt am Meer, unser erster Campingplatz seit Tamsweg! Wir können alles aufhängen, trocknen und lüften lassen und selber ins Meer gehen (nur Gunda). Jetzt gibt es ein paar freie Tage!
26. September Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina) – Messimvria, 41,48 km, 3479,7 Gesamt km
Datum: 26.9.10
Tag: 57
TagesunterstützerIn:
von: Komotini m NN 41
nach: Messimvria m NN 3
km 41,48
Gesamt km 3434,9911
km/h: 8,79
Fahrzeit 04:42
gesamte Fahrzeit: 250:48:00
Anstieg in m pro h 29,36
Anstieg in m 138
Abfahrt in m: 176
höchster Punkt in m NN 315
Steigung/Gefälle 0,76
2. Panne: Wolfgangs Badelatschen fallen dem Schlamm und seinem Gewicht zum Opfer.
In dieser Nacht ist ein Gewitter mit heftigem Regen über uns weggezogen. Es hat zur Folge, dass sich unser Baumwollfeld in einen Schlammort verwandelt hat, der zudem noch die Herausforderung in sich hat, dass Mäuse den Boden mit zahlreichen Gängen unterhöhlt haben. Ständig sacken wir mit den Füßen tiefer, am Abend noch in trockenen Boden, jetzt in Schlamm. Zudem hat der Dornenstrauch diesmal in Gundas Hinterrad einen Loch provoziert. Wir schaffen es, unter erschwerten Bedingungen dennoch um 9:00 aufzubrechen. Wir können das Zelt nur zu einer Seite öffnen, da auf der einen Seite der Dornenstrauch ist. Auf der anderen Seite beginnt direkt eine Reihe Baumwollpflanzen, um die wir herumbalanzieren – immer in der Gefahr, in der Mäuseetage zu landen. Dazu stürmt es und der Himmel ist zur einen Seite pechschwarz, zur anderen sogar manchmal blau. Wir stürzen uns in den Wind und müssen uns jede Stunde abwechseln, da es sonst nicht zu schaffen ist, vorne zu fahren. Der Wind ist beinahe irrwitzig. Nach drei Stunden kommen wir an der Abzweigung an, wo der Weg an der Küste beginnt. Wir haben je eine unterschiedliche Vorstellung vom Weg und beide bestimmt eine andere Vorstellung vom Zustand gehabt. Am Beginn des Weges steht ein Informationsschild über die geologischen und archäologischen Schätze am Weg. Nach einer Stunde und knappen drei Kilometern machen wir Rast in einem wunderschönen alten Olivenbaumgarten und kochen Nudelsuppe.
Uns ist klar, dass wir die Hafenstadt nicht erreichen werden, sondern mit viel Glück das nächste Dorf und sind einigermaßen gefrustet, da wir uns sehr auf den freien Tag gefreut hatten. Nachdem sich aber an der Situation nichts mehr ändern lässt und wir wenigstens so viel Wasser haben, dass wir es bis zum Abend recht gut schaffen, fahren wir nach einer Mittagspause weiter. Der Weg ist in einem abenteuerlichen Zustand, für Geländewagen wahrscheinlich ok. Wir schleichen den Weg entlang und müssen anhalten, um die Schönheit wahrzunehmen.
Immer wieder gibt es Ausgrabungen antiker Städte und irre Steinformationen. Das Meer ist nah und oft zu hören. Wir fahren langsam, aber beständig weiter und wenn es gar nicht mehr geht, schieben wir halt. Zum Teil müssen wir schieben, weil der Weg so schlecht ist, zum Teil weil es so steil ist. Nicht mehr fahrbar ist mittlerweile ausgedehnt auf 18%.
Irgendwann sehen wir das Dorf in einer Bucht vor uns
und nach weiteren 1,5 Stunden sind wir da. Auf dieser Strecke sollte die Autobahn gebaut werden und in der Nähe des Dorfes ist auch schon begonnen worden, die Trasse in den Berg zu sprengen. So ist immer wieder eine Bergsprengung zu sehen und an einer Stelle ist auch die Straße schon gebahnt worden, dann aber abgebrochen an einer Stelle, wo es sicherlich eine Brücke über ein kleines Delta gegeben hätte. So ist dieser Streifen Küste sicherlich einer der wenigen ursprünglichen in Griechenland (griechisch Elláda, Ελλάδα [ɛˈlaða]; formell Ellás, Ελλάς ‚Hellas‘; amtliche Vollform Ellinikí Dimokratía, Ελληνική Δημοκρατία Hellenische Republik[5]) und von einer wilden Schönheit. Uns tut es gut nach gestern, weder Hunde noch Kinder auf dem Weg anzutreffen.
Am Abend sind wir im Strandteil des Dorfes, dort gibt es einen Campingplatz, der aber keinerlei sanitäre Anlagen hat, einige Ferienhäuser und einen Garten mit Wohnmobilen und einer Dusche. Wir wissen nicht so recht, was das ist, schlagen da aber unser Nachtlager auf. Die Hafenstadt werden wir dann morgen erreichen. Heute haben wir noch Ideen entwickelt, wie wir unser Gepäck besser sichern können, ohne dass es zu viele neue Handgriffe sind. Denn je länger wir die Situation im Roma-Dorf Revue passieren lassen, desto deutlicher wird, wie viel Glück wir hatten. Jetzt sind die Gepäckstücke, die nicht durch Schlösser gesichert sind, weil sie immer am Rad bleiben, mit den Fahrradschlössern ganz einfach, aber effektiv gesichert.
25. September Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)) – Komotini (griechisch Κομοτηνή (f. sg), türkisch Gümülcine, bulgarisch Гюмюрджина/Gjumjurdschina), 89,54km, 3437,7 Gesamt km
Datum: 25.9.11
Tag: 56
TagesunterstützerIn: RUSTER, THOMAS UND ADELHEID
von: Gravouna m NN 20
nach: Komotini m NN 41
km 89,54
Gesamt km 3393,5111
km/h: 14,88
Fahrzeit 06:00
gesamte Fahrzeit: 246:06:00
Anstieg in m pro h 11,17
Anstieg in m 67
Abfahrt in m: 46
höchster Punkt in m NN 115
Steigung/Gefälle 0,13 Bis auf einen leichten Regen hat der Barometersturz am Tag zuvor nur zur Folge, dass es bewölkt ist. Mit angenehmen Temperaturen und leichtem Gegenwind fahren wir munter los mit dem erreichbaren Ziel vor Augen, in zwei Tagen auf dem Schiff zu sein. Da ahnen wir noch nicht, dass der Tag eine ganz andere Wendung nehmen wird.
Alles ist gut, bis wir in der ersten ernstzunehmenden Stadt uns verirren. Zunächst aber begrüßt uns in der Stadt ein durchaus ernstzunehmendes Straßenschild mit einem Richtungspfeil: Konstantinopel. Etwas 50m weiter steht eine Moschee. Wir fahren durch die Stadt, die ziemlich bunt und chaotisch wirkt und finden den Weg nicht zurück auf die Bundesstraße. Da wir die Richtung wissen und, dass wir die Bahn überqueren müssen, tun wir das in der Stadt und landen in einem zunächst „normal“ aussehenden Stadtviertel bis wir dann feststellen, dass der Stadteil fest in der Hand von Roma ist. Wir fahren weiter und die Straßen werden immer enger und die Menge der Kinder, die uns folgt, immer größer. Wir sind bereits wieder auf einer großen Straße, als wir den zweiten Fehler des Tages begehen: wir drehen um, da wir in die andere Richtung müssen. Eine Straße, die wie eine Verbindungsstraße aussieht, entpuppt sich als Labyrinth durch das Roma-Viertel. Die Horde Kinder wird inzwischen angeführt von einem Jugendlichen, der geistig behindert wirkt, aber körperlich absolut fit und immer schwankend zwischen uns beschützend und angreifend. Die Situation wird immer bedrängender und wir müssen da ja nun wieder raus. Auf dem Rad sitzend können wir uns nicht wehren, absteigen können wir nicht, nur schreien und beim Stehenbleiben schreien und Kinderhände wegschubsen. Es ist furchtbar. Das Geschrei ist immer hin so laut, dass aus einem Haus eine resolute Roma-Oma angerannt kommt, selber mit einer Dachlatte bewaffnet und für einen Moment hat sie die Kinder in Schach. Wir fahren los und haben es beinahe geschafft, als der Jugendliche im Affenzahn hinter uns her gerannt kommt. Wir beschleunigen noch mehr, aber er hat Wolfgangs Wagen erwischt und hält ihn fest. Wir sind gezwungen, wieder stehen zu bleiben. Erneut sind wir umringt von der Horde Kinder, diesmal ungeschützt. Wir schreien und schlagen um uns, aber es hilft nichts, egal wie ich mich wehre, der Jugendliche reißt mir die Seitentasche vom Leib, indem er so daran reißt, dass der Gürtel (aus Leder) zerrissen ist. Zum Glück ist nichts wesentliches da drinnen gewesen. In dem Augenblick war die Horde beschäftigt und wir ziehen ab. An der Tankstelle holen wir erst mal Luft und versuchen uns vom Schreck zu erholen.
Bei der Planung und vor der Reise haben uns Menschen vor Serbien (serbisch Србија/Srbija anhören?/i) und Bosnien (bosn., kroat. und serb. Bosna; kyrill. Босна) und vor allem Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë) gewarnt (an Ländern in Europa), keiner vor Ländern der EU… Bei der Weiterfahrt sind wir mit dem nächsten Problem konfrontiert: den Hunden. Diese sind hier um so vieles aggressiver und laufen auf die Straße und in den Verkehr hinein. Daher liegen am Rand eine Menge Kadaver. Nur sind wir kein Auto und müssen einige Male rasante Ausweichmanöver starten. Wir fahren weiter und kommen an unser Ziel, deutlich wachsamer und immer Hunde und Kinder im Blick habend.
Wieder sind wir in einem Land, in dem es Rechtssysteme gibt, die mit dem staatlichen Rechtssystem wenig zu tun haben. Während dies in Albanien, amtlich Republik Albanien (albanisch Shqipëri/Shqipëria oder Republika e Shqipërisë) uns als Reisende eher schützt, in Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia), amtlich Republik Mazedonien bzw. Republik Makedonien (maz. Republika Makedonija Република Македонија, alb. Republika e Maqedonisë) nicht betrifft, ist es hier ein Rechtssystem, in dem nur ausweichen geht.
Auffallend ist weiterhin gewesen, dass in jedem Ort eine Moschee (arabisch مسجد masdschid, DMG masǧid ‚Ort der Niederwerfung‘) mit Minarett (selten Minar[1] , richtiger arabisch منارة manāra ‚ursprünglich: Leuchtturm‘) zu sehen ist und der Muezzin (arabisch مؤذّن mu'adhdhin, DMG muʾaḏḏin) auch rufen darf. So stehen auf einer einen Straßenseite die Kirchen und auf der anderen die Moschee und wir fragen uns, wie wohl das Miteinander sich gestaltet. Wenn dann noch als dritte Gruppe Roma dazu kommen, hat so eine Kleinstadt direkt eine sehr eigene Dynamik. Wie eine Parallelgesellschaft, die durch so ein klar umgrenzten Stadtteil entsteht, in irgendeiner Form integriert oder was auch immer werden kann, wirft ganz eigene Fragen auf. Wir sind auf jeden Fall froh, dass am Abend vor dem Supermarkt nur zwei Kinder stehen und außerdem Security und wir mit viel Mühe einen Schlafplatz in einem Baumwollfeld hinter Büschen finden, wo weit und breit keine frei laufenden Hunde oder Kinder zu sehen sind. Morgen ist es eine kurze Strecke und diesmal sind wir wirklich reif für die Insel!
24. September Orfani (Greek: Ορφάνι, formerly Ορφάνιον - Orfanion) – Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)), 91,39km, 3347 Gesamtkm
Datum: 24.9.10
Tag: 55
TagesunterstützerIn:
von: Orfani m NN 0
nach: Gravouna m NN 20
km 91,39
Gesamt km 3303,9711
km/h: 13,67
Fahrzeit 06:40
gesamte Fahrzeit: 240:06:00
Anstieg in m pro h 9,15
Anstieg in m 61
Abfahrt in m: 41
höchster Punkt in m NN 341
Steigung/Gefälle 0,11 Die Nacht ist taghell, so hell ist der Vollmond, der durch Berge ungehindert scheinen kann. Selbst am Morgen ist der Mond noch da und wir brauchen keine Stirnlampen. Die Sonne muss sich durch eine Wolkendecke arbeiten, bis sie zu sehen ist. Bis auf einen Angler ist niemand am Strand. Wir haben die Nacht mit den Wellengeräusch sehr genossen. Die Straße führt uns immer wieder ans Meer und ein paar Meter über dem Meer entlang. Es ist eine sehr schöne Küste, die beinahe unberührt ist. Die parallel gebaute Autobahn nimmt der Bundesstraße den Verkehr und es ist so sehr außerhalb der Saison, dass fast alles geschlossen hat. Es ist alles schön, bis plöztlich die Schilder unserer Straße grün werden und eh wir uns versehen, sind wir schon wieder auf einer Autobahn gelandet! Die durch einen plötzlichen zugeschriebenen Identitätswandel zur Autobahn mutierten Straße verlassen wir und sehen beim Abfahren, dass sie aus der Gegenrichtung direkt als Autobahn ausgeschildert ist. Das ist schon eine lustige Verkehrsplanung. Auf diese Weise werden wir durch die Orte geführt und entdecken den ersten geöffneten Campingplatz. Wir wollen aber weiter nach Kavala (griechisch Καβάλα (f. sg)).
Plan: Mit einem Schiff auf eine der Inseln und mit dem Schiff zu einem anderen Hafen weiter im Osten wieder auf das Festland. Unsere Karte verzeichnet eine Menge Linien, die Homepage der Reedereien auch. Vor Ort sieht das dann ein wenig aus wie bei einem vielen bekannten Bahnunternehmen, wo viele Verbindungen einfach gestrichen sind. Also essen wir dort nur zu Mittag in einem Restaurant, in dem Busladungen voller griechischer Senioren und japanischer Touristen abgeladen werden. Wir hatten uns ja mit unserer Japanflagge eine aufgeregte Gruppe japanischer Touristen vorgestellt, aber die Guten waren von allem anderen so überwältigt, dass sie selbst, als wir an ihnen vorbeigeschoben haben, die Flagge erst spät entdeckt haben.
Die Straße zur nächsten Stadt verwandelt sich innerhalb weniger Kilometer erneut in eine Autobahn. Inzwischen sind wir ja routiniert und fahren mit dem Hinweis auf den nächsten Ort auf die nächste Bundesstraße- Diese bleibt Bundesstraße- Unser Plan, an der nächsten Tankstelle auf eine aktuelle Karte zu schauen, scheitert: an der nächsten Tankstelle hängt eine Karte, die vielleicht fünf Jahre jünger ist als unsere. Sie hat den Vorteil, dass der geplante Verlauf der Autobahnen eingezeichnet ist und wir sehen, dass eine Autobahn, die unsere Karte noch hat, nicht mehr geplant ist. Es ist interessant, dass sich die Wahnehmung von Ländern an zum Teil skurrilen Einzelheiten festmacht: die Frage, ob es beim Einkaufen Tüten umsonst gibt oder sie gekauft werden müssen, ob es Alternativen zu Autobahnen gibt, ob Tankstellen Wasser und Kaffee haben, wie die Ladenöffnungszeiten sind, natürlich wesentliche Frage wie: ist die Umgebung Minenfrei? Aber das ist ja bereits eine Frage, die sich in einem Kontext stellt, in dem sich viele andere Fragen auch stellen. Wir sind auf jeden Fall seit Slowenien (slowenisch Slovenija) in Tütenländern und unsere Mülltütenfrage stellt sich nicht mehr. Nun sind wir seit Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia), amtlich Republik Mazedonien bzw. Republik Makedonien (maz. Republika Makedonija Република Македонија, alb. Republika e Maqedonisë) auch in Autobahnländern, aber mit viel Toleranz.
Am Abend bekommen wir Wasser an der Tankstelle und stellen erneut fest, dass die Menschen hier an Tankstellen und in Läden deutlich wortkarger sind als am Fluss. Einen Schlafplatz finden wir in einer abgeernteten Obstplantage, nachdem wir fast zwei Stunden nur an Industrie und Ölraffinerien vorbeigefahren sind. Das Hinterland der Küste hat wenig von der Romantik der Küste, es ist der logistische und arbeitgebende Faktor.
Das Barometer fällt innerhalb einer Stunde dramatisch, wir sind gespannt, was das hier bedeutet und haben alles sturm- und regensicher verpackt.
23. September Serres (griechisch Σέρρες (f. pl.), älter auch Serre Σέρραι; bulgarisch Сяр/Sjar) - Orfani (Greek: Ορφάνι, formerly Ορφάνιον - Orfanion), 84,33 km, 3254,4 Gesamt km
Datum: 23.9.10
Tag: 54
TagesunterstützerIn:
von: Strimenico m NN
nach: Orfani m NN 0
km 84,33
Gesamt km 3212,5811
km/h:
Fahrzeit
gesamte Fahrzeit: 226:46
Anstieg in m pro h
Anstieg in m 240
Abfahrt in m: 240
höchster Punkt in m NN 208
Steigung/Gefälle 0,569 Heute Morgen sind es acht Grad, als wir um sechs Uhr aufstehen. Unser Nachtquartier ist in einem wunderschönen Obstgarten. Wir fahren den ganzen Vormittag durch die Flussauen, zwischendurch werden wir an die Ränder der naheliegenden Hügel geführt, so dass der Weg ein beständiges Auf und Ab ist mit ganz vielen kleinen Orten und Städtchen dazwischen. Es ist Baumwollernte und an den Wegen der geernteten Feldern liegen die weißen Büschel und der Wind spielt mit ihnen. Immer wieder mal sitzen in einer Stadt Tagelöhner und warten auf Arbeit. Nachwievor wechselt kleine Landwirtschaft mit riesigen Betrieben. Es ist eigenartig, nach den Wochen im Balkan mit den einfachen landwirtschaftlichen Geräten jetzt wieder die High-Tech-Geräte zu sehen. Neben Baumwolle werden Zuckerrüben (vermuten wir) geerntet. Außerdem ist Ernte der grünen Oliven. Die Flussarme, die wir überqueren, sind allesamt ausgetrocknet.
Als wir um 13:00 in einer Stadt halten, um etwas zu essen und ein wenig ratlos die vielen Cafés anschauen, kommt sofort wieder jemand auf uns zu und fragt uns in Englisch, was wir suchen. Auf diese Weise finden wir ein Restaurant. Heute ist es drückend heiß und es zeigen sich die ein oder anderen Wolken am Himmel. Am Nachmittag wagen wir uns erneut in die Hitze und folgen der Straße in ihren vielen Windungen und Auf und Abs. Es ist nicht ganz vorstellbar, dass das Meer so nah sein soll. Die Landschaft wird abwechlsungsreicher und die Hügel um uns höher. Der höchste Berg hier an der Küste ist bald ganz nah zu sehen. Dennoch ist auch auf jeder neuen erklommenen Anhöhe kein Meer in Sicht. Bald haben wir das Gefühl, am Ende der Welt zu sein und nur noch von antiken Ausgrabungen umgeben zu sein als plötzlich ein Tanklaster uns entgegengebraust kommt. Ermutigt denken wir, der muss irgendwo her kommen und sicherlich nicht aus der Antike! Also kämpfen wir uns weiter gegen den inzwischen aufgekommenen Gegenwind und erfahren Hügel um Hügel. Wie aus dem Nichts sind wir an dem Ort, der laut Karte am Meer sein müsste, der Mündung des Flusses und alles, was wir sehen ist ein im Bau befindliches Autobahnkreuz! Unsere Karte, 20 Jahre jung, hat ganz andere Straßen, hier gibt es wieder andere. Die kleine Straße unserer Karte ist jetzt Autobahn, die große Straße jetzt die kleine. Da wir heute mal keine Autobahn fahren wollen, entscheiden wir uns für die neue kleine Straße, auch wenn wir ursprünglich die Route der heutigen Autobahn nehmen wollten. Heute Abend sind wir froh um die Bauentscheidung der Griechen, denn die Straße am Meer führt uns direkt zum Meer
hin
und da der Campingplatz bereits auf Winter eingestellt ist, logieren wir jetzt neben einem Apfelbaum am Strand
und haben endlich keine Autogeräusche, sondern die Brandung in Hintergrund.
Der Ort lebt vom Tourismus und die Saison ist hier vorbei, so dass alle Häuser verrammelt sind und kaum noch Touristen hier sind. Im Sommer ist hier bestimmt viel los.
22. September Novo Selo (mazedonisch Општина Ново Село) - Strimeniko 89,29km 3170,0geskm
Datum: 22.9.10
Tag: 53
TagesunterstützerIn:
von: Strumesnica m NN 260
nach: m NN
km 90,47
Gesamt km 3128,2511
km/h:
Fahrzeit
gesamte Fahrzeit: 233:26:00
Anstieg in m pro h #DIV/0!
Anstieg in m
Abfahrt in m: 260
höchster Punkt in m NN
Steigung/Gefälle 0,29 Panne: Platten an Wolfgangs Wagen.
Heute früh waren es wieder nur 4 Grad, als wir aufgestanden sind. Es ist dann noch dunkel und unglaublich kalt. Aber noch wird es tagsüber gut warm, in der Mittagszeit fast 30 Grad. Als wir losfahren wollten, sehen wir, dass ein Reifen von Wolfgangs Wagen platt ist: Unser Nachtquartier ist direkt unter Dornenbüschen gewesen und obwohl Wolfgang beim Abstellen der Räder so aufgepasst und für die Dusche den Stamm von Dornen befreit hatte, ist der Wagen in eine Dorne gefahren. Wir finden die Dorne und so geht die Reparatur schnell.
Wir fahren durch eine bewaldete Gegend, im Gegensatz zu Mazedonien, auch Makedonien, (mazedonisch Makedonija Македонија, albanisch Maqedonia) hat Bulgarien (bulgarisch България [bɤɫg'arijɐ], amtliche Bezeichnung: Republik Bulgarien, bulgarisch Република България) aufgeforstet und es ist unglaublich, welchen Unterschied das macht. Es ist schön, durch diese ganz eigen Frische am Morgen zu fahren. Die Gegend ist sehr fruchtbar und es wechseln kleine Gärten und Felder mit riesigen Feldern ab. Direkt nach unserem Losfahren werden wir von einem Polizeiauto überholt, das Patrouille fährt. Die Grenze ist eine EU-Außengrenze und als solche schon gut gesichert gewesen. Er fährt langsam hinter uns her und überholt ebenso langsam. Als die Polizisten die EU-Fahne sehen, die wir am Rad haben, werden sie schneller, winken und fahren - immer noch ziemlich langsam – weiter.
In der ersten Stunde kommen uns vor allem Pferdewagen entgegen, die Pferde sind gepflegt und die Menschen fahren fast alle zum Fluss hinunter. Erst in der Nähe der Stadt ändert sich das Aussehen der Pferde und die Wagen sehen weniger gepflegt aus und transportieren alles Mögliche. In der Stadt wollen wir Kerzen für unsere Zeltkerze erstehen. Im Laden funktioniert die Verständigung nicht und nach der Zeichnung bekommen wir Kerzen: es sind die Opferkerzen für die Ikonen. Der liebe Gott wird es uns verzeihen, wenn wir sie ganz profan im Zelt am Abend und am Morgen anzünden.
Heute haben wir Glück: abgesehen von einer kurzen Strecke sind die Straßen in einem guten Zustand, die eine sogar komplett frisch geteert. Wir sausen der bulgarisch-griechischen Grenze entgegen, die in ihrem Design noch richtig eine Ostblock-Grenze ist. Es ist eine regelrechte Wehranlage. Auf bulgarischer Seite ist gar keine Kontrolle mehr beim Verlassen des Landes, auf griechischer Seite sind strenge Kontrollen – Bulgarien ist noch nicht im Schengen-Abkommen. Unmittelbar hinter dem Schlagbaum beginnt ohne jede Vorwarnung die Autobahn. Wir fahren munter drauflos, denn wir gehen davon aus, dass es gleich eine Alternative gibt. Gibt es auch und nach 500 m sind wir wieder auf der Autobahn. Also bleiben wir drauf. Sie ist nagelneu und auch noch nicht fertiggebaut, denn sie endet ziemlich abrupt und führt hinunter auf eine Straße, die die alte Bundesstraße war und sich am Ende teilt und dort ein ziemliches Verkehrschaos mit viel Polizei verursacht, da es keinerlei Hinweise gibt, welche der zwei Straßen wohin führt (und für die Autofahrer: wo die Autobahn geblieben ist, die eigentlich zu sehen war und nun steht man plötzlich daneben). Wir fragen nach unserem Weg und werden lächelnd auf die Straße nach links hoch verwiesen. Die 10% Steigung nehmen wir inzwischen spielend, es ist noch ein wenig chaotisch als wir oben sind, dann wird klar, es ist wieder der Zubringer zur Autobahn! Inzwischen zeichnen sich dort aber auch andere Straßen ab, so überlegen wir, was wir machen. Wir entscheiden uns gegen die Autobahn, da sie doch nicht ganz in unsere Richtung geht und nehmen die kleine Straße. Mit unserem Theologen-Griechisch arbeiten wir uns durch die Straßenschilder und finden den Weg. Im nächsten Ort halten wir an, um etwas zu essen. Als wir suchend vor einem Café stehen, werde wir auf deutsch gefragt, was wir brauchen. Der Herr – er hat Jahrzehnte in Wuppertal gearbeitet – ruft im nächsten Café an, dort gibt es etwas. Dort übersetzt für uns jemand, der in Stuttgart gearbeitet hat. Es ist ein ganz ruhiges Essen ohne dauernd zu schauen, was mit den Rädern ist. Sehr entspannend nach dem so anderen Balkan.
Den Tag fahren wir durch die Flussauen, die riesig sind. Es ist sehr fruchtbar und es wird ganz viel Baumwolle abgebaut. Unsere kleine Straße entpuppt sich auch als große Straße, was für die Infrastruktur am Abend gut ist. In einem Supermarkt bekommen wir Wasser, der zuständige Herr hat 30 Jahre in Garmisch gearbeitet. Es ist faszinierend, auf so viele Menschen hier zu stoßen (alleine im Dorf sind es noch viel mehr gewesen), die so lange so wesentlich Deutschland geprägt und vieles von dem Reichtum und Wohlstand und dem hohen Lebensstandard jetzt ermöglicht haben. Im Alter sind sie dann wieder hier – was irgendwie auch gut zu verstehen ist.
21. September Štip [ʃtip] (mazedonisch Штип; bulgarisch Щип; türkisch İştip) – Novo Selo (mazedonisch Општина Ново Село), 94,49 km, 3079, 6 Gesamt km
Datum: 21.9.10
Tag: 52
TagesunterstützerIn:
von: Dolani m NN 307
nach: Strumesnica m NN 260
km 94,49 Gesamt km 3037,7811
km/h: 15,87
Fahrzeit 05:57
gesamte Fahrzeit: 233:26:00
Anstieg in m pro h 65,71
Anstieg in m 391
Abfahrt in m: 438
höchster Punkt in m NN 545
Steigung/Gefälle 0,88
Der erste Tag ohne Durchfall und Fieber (Gunda), leider noch nicht die erste Nacht. Aber das Essen geht in kleinen Happen ganz gut und daher kommen die Kräfte langsam wieder. Es gibt noch einen Nachtrag zu Štip [ʃtip] (mazedonisch Штип; bulgarisch Щип; türkisch İştip), der ganz amüsant ist: Da ich (Gunda) die meiste Zeit im Restaurant mit Strom am Computer gesessen bin, konnte ich folgende Episode mitbekommen: Am Tisch neben mir sitzen drei Menschen, zwei aus Stip und ein ausländischer Geschäftsmann, vom Akzent im Englisch her deutsch. Es geht um irgendwelche Geschäfte und es wird richtig aufgetischt. Mir fällt auf, dass er dauernd aufsteht und weggeht. Ich denke zum Telefonieren. Dann bekomme ich mit, dass er jeglichen Alkohol ablehnt und sagt, dass es ihm schlecht geht. Dann erzählt er, dass seine Frau Brasilianerin ist und er in Brasilien sich noch nie so elendig gefühlt hat. In dem Moment schaue ich ihn ganz emphatisch an, das kann ich gut nachvollziehen. Er fragt nach einem Hotel und wird in das Hotel in der Stadt geschickt – das für uns ja voll war und für ihn nicht. Wir beide schmunzeln und überlegen, ob wir demnächst einen Anzug anziehen und dann nach der Übergabe des Zimmerschlüssels unsere Räder hervorzuzaubern…
Heute sind wir früh losgefahren (nach mazedonischer Zeit um fünf aufgestanden und um 7 losgefahren), um vor dem Mittag möglichst viel zu schaffen. Wir befürchten wieder von der Straße verwiesen zu werden, in der Tat gibt es Verbotsschilder, aber Räder sind nicht aufgeführt. Allerdings ist das unterste Schild auch abmontiert. So fahren wir vergnügt auf der Kraftfahrstraße, die hier Autobahnrang hat und genießen den guten Asphalt und die Kühle des Morgens. Es geht langsam hoch und die Straße führt durch eine durch Bewässerung unglaublich fruchtbare Ebene. Überall wird geerntet, auch die Samen dieser Pflanze, die wir nicht identifizieren konnten.
Wir kommen an einem Bergbau vorbei
und erreichen schnell den höchsten Punkt. Von dort geht es rasant wieder abwärts, bis die gute Straße von jetzt auf gleich in eine Kopfsteinpflasterstraße für mehrere Kilometer übergeht. Daneben wird die neue Straße gebaut. Ein Teil ist bereits fertig, so dass wir ihn befahren können und für ein paar (2-3) Kilometer dem Gehuckel entkommen, dafür aber im Feld landen und einen Feldweg zurück zur Kopfsteinpflasterstraße finden. Zum Glück hört sie auf und das unterste Verbotsschild ist wieder geklaut, so dass wir weiterfahren (Hätten wir so auch getan, denn es gibt keine Alternative). Am Mittag sind wir in der nächsten Stadt und können unsere Durchfall- und Fiebermedikamente auffüllen, finden sogar Postkarten. Nach dem Mittag geht es auf einer kleinen Straße (auch Bundesstraße, aber ganz anders, es ist zu merken, dass es da lange nicht wirklich weiterging) nach Bulgarien (bulgarisch България [bɤɫg'arijɐ], amtliche Bezeichnung: Republik Bulgarien, bulgarisch Република България). Es ist schön, endlich mal wieder einen Tag normal zu fahren und zudem noch auf recht einfacher Strecke. Nach der abendlichen Dusche gibt es jetzt Nudeln.
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