Sonntag, 1. April 2012

Heute vor einem Jahr



Heute vor einem Jahr haben wir gleich dreimal Visumchaos: China nicht ohne Einladung, Kirgisien nicht verschiebbar und Tadschikistan nur 15 Tage verlängerbar! So geht das alles nicht!

Heute lesen wir einen interessanten Beitrag von Werner Ruf, Erstunterzeichner der Iran-Erklärung:


Afghanistan im Fadenkreuz der Geostrategie.
von Werner Ruf
Allein die Lage Afghanistans macht dieses Land in der sich herausbildenden multipolaren Struktur des internationalen Systems zu einem zentralen Ort, grenzt es doch an die ehemaligen südlichen Republiken der Sowjet-Union, in denen der Islam – für die Herrschenden wir für die oppositionellen Kräfte – ein immer wichtiger werdender Legitimationsfaktor wird. Zugleich grenzt es im Westen an den Iran, das einzige Land des „Greater Middle East“, das sich dem westlichen und US-amerikanischen Einfluss zu entziehen versucht. Im Nordosten hat es eine wenn auch sehr kleine gemeinsame Grenze mit China, der aufsteigenden neuen Großmacht. Das Land liegt damit im Zentrum der Interessen Chinas, Indiens, aber auch des Nachbarn Iran und Saudi-Arabiens, das als Ölmacht wie auch ideologisch spätestens seit der Unterstützung der damals Freiheitskämpfer genannten islamistischen Krieger gegen die Sowjetunion in den 80er Jahren eine zentrale Rolle spielte. Als Nachbar Pakistans ist es, auch aufgrund der beiden Ländern gemeinsamen paschtunischen Bevölkerung und der Unterstützung islamistischer Militanz in Kaschmir durch den pakistanischen Geheimdienst ISI mit dem pakistanisch-indischen Konflikt verbunden. Afghanistan ist unmittelbarer Nachbar der Atomwaffenstaaten Russland und China, aber auch der Atomwaffen besitzenden Staaten Indien und Pakistan, die dem Atomwaffensperrvertrag NPT nicht beigetreten sind und des Iran, der zwar NPT-Mitglied ist, dem jedoch ein Atomwaffenprogramm nachgesagt wird.

Energiesicherheit rückt in den Vordergrund

Wichtiger aber ist: Seit peak oil, der Höhepunkt der Öl- Und Gasförderung erreicht wenn nicht gar überschritten zu sein scheint, wachsen einerseits zwar die Bemühungen um alternative Energien, andrerseits sind Öl und Gas für viele Wirtschaftsbereiche noch immer unersetzbar, so dass die Energiesicherung immer massiver in den Vordergrund staatlicher Interessen gerät. Und hierbei geht es nicht nur um die Sicherung der Rohstoffquellen, sondern vor allem der Transportwege auf globaler Ebene: Nicht zufällig schreibt Frederick Starr, Leiter des Kaukasus-Instituts der Johns Hopkins University: „Wer bestimmen kann, wie die Pipeline-Karte aussieht, … wird die Zukunft eines riesigen Teil der Welt bestimmen.“ [1]
Sie stehen im Zentrum der jüngsten Konflikte und Kriege: Relativ unbeachtet von der Weltöffentlichkeit riefen die USA vor genau drei Jahren, am 6. Februar 2007, ein neues Oberkommando für Afrika (Africom) ins Leben, dessen Hauptaufgabe die Terror-Bekämpfung in Afrika sein soll. Zugleich erklärten die USA, ihre Ölimporte aus Afrika von damals 13 Prozent bis zum Jahr 2013 auf 25 Prozent steigern zu wollen. Die „terroristischen Aktivitäten“ in der Sahara (hauptsächlich Entführungen) wurden, wie man heute weiß, an der langen Leine vom algerischen Geheimdienst in Kooperation mit der CIA gesteuert.[2] Inzwischen wird unter Führung des algerischen Erdölkonzerns SONATRACH, immerhin der zehnt- oder elftgrößte Ölkonzern der Welt, eine über 4000 km lange Pipeline von Nigeria an die algerische Mittelmeerküste gebaut, von wo das dort verflüssigte Gas weltweit verschifft werden soll. Der Konflikt in Darfur und um den Sudan hat seinen Hauptgrund in der Tatsache, dass der Sudan sein Öl exklusiv an China liefert.
Das von der Bush-Administration vorangetriebene Projekt des Greater Middle East, das zunächst im Krieg gegen den Irak und dem regime change in diesem Land gipfelte, ermöglichte mit dem von den USA durchgesetzten neuen Ölgesetz den internationalen Konzernen den Zugriff auf die riesigen Ölreserven dieses Landes, die bis dahin staatlicher irakischer Kontrolle unterstanden. Das einzige Land des Greater Middle East, der sich je nach Lesart von der Atlantikküsten Afrikas bis Pakistan oder auch bis Indonesien erstreckt, das noch nicht unter zumindest indirekter Kontrolle der USA steht, ist der Iran. Das Land verfügt über rd. 10 Prozent der bekannten Ölreserven, die Erdgasvorräte werden noch weit höher geschätzt. Iran kooperiert sowohl mit den westlichen Industrieländern wie mit deren harten Konkurrenten: Allein die Verträge mit China sehen für die nächsten 25 Jahre Investitionen in Höhe von mehr als 100 Mrd. Dollar vor. Bereits abgeschlossen ist ein Vertrag zwischen der National Iranian Oil Company NIOC mit der China National Petroleum Corporation CNPC zur Erschließung des Erdgasfelds „South Pars“, das als größtes Ergasfeld der Welt gilt, die Exploration des Erdgasfeldes „North Pars“ steht bevor. Mit Russland hat Iran einen Vertrag geschlossen, der den Bau einer asiatischen Pipeline zur Belieferung Indiens und Chinas vorsieht. Mit beiden Ländern hat Iran langfristige Lieferverträge abgeschlossen. Iran ist so geradezu zu einem Schlüsselstaat für die aufsteigenden Großmächte China und Indien geworden – und zu einem wichtigen Partner und Konkurrenten Russlands. Guido Steinberg von der SWP sieht daher Iran als einen „heißen Kandidaten für eine geopolitische Umorientierung, also eine Abkehr vom Westen“.[3] Im Erdgasbereich ist Iran beteiligt an der geplanten Gründung eines sich am Vorbild der OPEC orientierenden Kartells der Erdgas produzierenden Staaten. Hierüber wird derzeit zwischen Russland, Iran, Qatar, Algerien und Venezuela verhandelt. Die mögliche Beteiligung Nigerias ist noch offen.

Der Kampf um die Pipelines

Zugleich bleibt Iran für den Westen ein wichtiger Lieferant: So führt eine Pipeline aus dem Südiran über Täbris durch Armenien ins türkische Erzerum, von dort zum Erdölhafen Ceyhan. In Erzerum könnte sie angeschlossen werden an die geplante Riesen-Pipeline Nabucco, die von der EU gebaut werden und Erdöl und Erdgas aus dem Kaspischen Becken via Baku und Tiflis unter Vermeidung russischen und serbischen Territoriums nach Österreich und nach Tschechien pumpen soll. Gefährdet wird dieses Projekt allerdings durch eine geplante russische Pipeline, die unter dem Namen „Southstream“ („Northstream“ ist die im Bau befindliche Ostsee-Pipeline) ebenfalls von Baku über Tiflis, dann aber über russisches Territorium und durch das Schwarze Meer via Belgrad nach Wien und Prag geführt werden soll (Vgl. Karte unten).[4] Im Augenblick scheint das russische Projekt bessere Realisierungschancen zu haben, da Russland bereits mit Italien einen Liefervertrag geschlossen hat.
An diesen gigantischen Projekten zur Energieversorgung werden beispielhaft die geostrategischen Zusammenhänge sichtbar, die die Bedeutung Georgiens in der Konfrontation zwischen NATO und Russland aufzeigen. Wäre Georgien im August 2008 bereits Mitglied der NATO gewesen, wie die USA es wollten und wollen, das Eskalationspotenzial dieses Konflikts hätte die schlimmsten Vorstellungen der Kalten Kriegszeit wahr werden lassen können.
Es mag an der Sperrigkeit der europäischen NATO-Partner und deren Eigeninteressen gelegen haben, dass die sehr frühzeitig begonnenen Bemühungen der USA, die Staaten um das Kaspische Meer in das Militärbündnis zu integrieren, nicht erfolgreich waren. So unterzeichneten die USA am Rande der Feiern zum 50. Jahrestag der NATO in Washington 1999 einseitige den so genannten GUUAM-Vertrag, ein regionales militärisches Bündnis zwischen Georgien, Ukraine, Usbekistan, Aserbaidschan und Moldawien. Ziel dieses Vertrages ist es, Russland vom Zugang zu den Öl- und Gasreserven des Kaspischen Beckens auszuschließen.
Ganz offensichtlich sind unter dem freundschaftlichen Deckmantel der NATO die Interessen von deren Mitgliedern keineswegs deckungsgleich: Es war kein Zufall, dass Deutschland und Frankreich sich weigerten, der Koalition der Willigen im Krieg gegen den Irak beizutreten. Auch ist es kein Zufall, dass die EU, unmittelbar nach Gründung von Africom eine von Frankreich geführte militärische Mission in den (vormals französischen) Tschad entsandte, dessen Öl über eine Pipeline durch die ehemalige französische Kolonie Kamerun zum Golf von Guinea geführt wird.
Nach dem Überfall Georgiens auf Südossetien im August und dem massiven russischen Gegenangriff distanzierte sich die EU deutlich von der Position der USA und versuchte durch ihre Vermittlungstätigkeit ihr Verhältnis zu ihrem derzeit wichtigsten Gaslieferanten Russland zu stabilisieren. Das zentrale Interesse der großen Mächte liegt jedoch nicht am West-, sondern am Ostufer des Kaspischen Meeres, in Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan, wo riesige Öl- und Gasvorräte lagern, die Gasreserven allein Turkmenistans gelten als die größten der Welt. Der kürzeste Weg für ihren Export führt über Afghanistan und Pakistan zum Arabischen Meer. Nach dem Rückzug und dem Kollaps der Sowjetunion begannen in den 90er Jahren Verhandlungen des US-Ölkonzerns UNOCAL als Verhandlungsführer mehrerer US-Firmen mit dem Taliban-Regime über den Bau einer Pipeline, wobei eine mögliche Route durch den Iran aus politischen Gründen zugunsten der Passage durch Pakistan verworfen wurde. Die von den Taliban geforderte Höhe der Gebühren ließ 1995 jedoch die Verhandlungen scheitern.
Lt. einem Bericht der BBC hatten die USA bereits im Juli 2001 beschlossen, im Oktober Afghanistan anzugreifen. Aus dieser Perspektive muss der 11. September 2001 wie ein Geschenk des Himmels erscheinen: George W. Bush erklärte den „Krieg gegen den Terror“ und leitete die Operation Enduring Freedom ein. Dabei stützten sich die USA auf die Resolution 1368 des UN-Sicherheitsrats vom 12. September, in der der Terroranschlag als Bedrohung des Friedens und der internationalen Sicherheit bezeichnet und das Recht auf Selbstverteidigung nach Art. 51 der UN-Charta unterstrichen worden war. Der NATO-Rat beschloss, den Anschlag als Angriffsfall auf ein Mitglied des Bündnisses nach Artikel 5 des NATO-Vertrags zu werten. Operation Enduring Freedom (kurz: OEF) ist jedoch nicht vom Sicherheitsrat beschlossen, auch war und ist diese Operation keine NATO-Operation, sondern wird geführt von einer Koalition der Willigen. Sie galt zunächst als Anti-Terror-Aktion mit dem Hauptziel, Bin Laden in Afghanistan zu fassen. Signale der Taliban, ihn unter bestimmten Bedingungen an die USA auszuliefern, blieben unbeantwortet.
Das Operationsgebiet von OEF beschränkt sich keineswegs nur auf Afghanistan (und erst jüngst Pakistan), sondern umfasst auch das Horn von Afrika und die Straße von Hormuz – jenen Seeweg, durch den rd. die Hälfte des weltweiten Öltransports verläuft. OEF, an der sich am Horn von Afrika auch Deutschland beteiligt, ist also sehr viel älter als das Piraterie-Problem vor der Küste Somalias. Das gerade beginnende militärische Engagement der USA im Jemen dient der Sicherung der Straße von Hormuz, verstärkt die US-Präsenz im Indischen Ozean und könnte als Aufmarschgebiet gegen den Iran genutzt werden.

Desaster des Kriegsverlaufs

Afghanistan aber bleibt aufgrund seiner geostrategischen Lage im Zentrum der geo- und energiepolitischen Interessen, eben nicht nur der USA sondern auch Europas, Russlands, Chinas und Indiens. Dies dürfte der Grund sein, weshalb Obama schon in seinem Wahlkampf zwar einen (relativen) Rückzug aus Irak ankündigte, den Krieg in Afghanistan jedoch fortzusetzen versprach. Sein Verlauf kann nur als Desaster angesehen werden: Seit 2002 steigt die Zahl der eingesetzten westlichen Truppen kontinuierlich. Gleichzeitig steigt die Zahl der Getöteten (auf beiden Seiten) und die Zahl der Anschläge. Allein die ISAF (International Stabiisation and Assistance Force), wie ihr Name sagt zumindest offiziell als „Stabilisierungs- und Aufbautruppe“ konzipiert, erhöhte ihre Truppenstärke von rd. 5000 Soldaten in 2003, als das Kommando von der NATO übernommen wurde, auf mittlerweile fast 65 000. Und die soeben abgehaltene Afghanistan-Konferenz hat eine weitere Truppenverstärkung beschlossen.
Die jüngsten Angriffe im Zentrum Kabuls (18. Januar 2010) machen deutlich, dass „die Taliban“ (die UN zählen rd. 2.200 aufständische Gruppen) mittlerweile in der Lage sind, verheerende Aktionen bis ins Zentrum der afghanisch- internationalen Exekutive zu tragen. Die heute Taliban genannten Aufständischen sind größtenteils selbst Produkt der gegen die Sowjetunion gerichteten counter-insurgency-Politik der USA und Saudi-Arabiens in den 80er Jahren. Auch in Afghanistan wurde eine Politik des regime change betrieben, indem der Westen auf der Petersberg-Konferenz eine Vielzahl von Kriegsherren, Kriegsverbrechern und Kriminellen zu seinen Bündnispartnern machte, die aus tribalen oder kriminellen Gründen die Taliban-Herrschaft bekämpften. Damit wurde nicht nur der Ethnisierung des Konflikts Vorschub geleistet, damit wurden auch die Hoffnungen der afghanischen Gesellschaft auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie zunichte gemacht. Geradezu zwingend wurden Pfründen und Ämterschacher zur Grundlage des von außen installierten Systems.[5] Was als state building in einem zerfallenden Staat deklariert worden war, geriet zur Vernichtung von Staatlichkeit und deren Auflösung in einer Ökonomie der Korruption und des Plünderns. Die Unmöglichkeit einer Regierungsbildung nach den mehr als dubiosen Präsidentenwahlen ist nur die Oberfläche des katastrophalen Scheiterns der westlichen Politik.
Mittlerweile wurde der Krieg nach Pakistan getragen, ein Land, dessen herrschende Kräfte seit jeher korrupt aber prowestlich sind, dessen Massen in extremer Armut leben, dessen Geheimdienst gewissermaßen die Infrastruktur für die Unterstützung der islamistischen Mujaheddin im Kampf gegen die Sowjetunion war und zumindest in Teilen (vor allem in Kaschmir) immer noch ist. Pakistan hat sich, genau wie Indien, unter Duldung des Westens Atomwaffen zugelegt. In zunehmendem Maße bombardieren die USA mittels unbemannter Drohnen vermutete Aufständische auf pakistanischem Territorium, töten Zivilisten und machen also auch dieses Land zum Kriegsgebiet. All dies trägt zur Radikalisierung der verarmten muslimischen Massen bei.
Selbst das der NATO nahe stehende Londoner International Institut for Strategic Studies (IISS) bleibt in einer Ende Dezember 2009 erschienen Studie mehr als skeptisch, ob die massive Aufstockung der Truppen und die Ausweitung der Kriegführung die versprochenen Erfolge bringen wird:[6] Zwar wird auch dort der massive Aufbau afghanischer Sicherheitskräfte gefordert, doch angesichts der herrschenden Korruption, der von Stammesführern und z. T. von früheren Kriegsherren geleiteten Einheiten könne solche Politik zu einer noch stärkeren Fragmentierung der afghanischen Gesellschaft führen. Diese Probleme seien keineswegs gelöst. Zwar müsse vor allem der zivile Wiederaufbau vorangehen, doch angesichts der mangelnden Legitimität der Karzai-Regierung und ihrer schlechten Regierungsführung sei von dieser Regierung wohl kaum etwas zu erwarten. Eine weitere Forderung der IISS-Experten ist die Integration von Taliban-Kämpfern in den neu zu schaffenden Sicherheitsapparat. Der Erfolg dieser Maßnahme sei jedoch nicht nur eine Frage der Finanzierung, sondern auch der Ideologie: „Der Ruf der Taliban, die Ausländer aus dem Land zu treiben, ist sehr wirkungsvoll.“ Daher rechnet auch das IISS mit weiterem Zufluss von Kämpfern aus den Stammesgebieten in Pakistan – während das Problem, das den Westen nach Afghanistan führte noch immer nicht gelöst sei: Ben Laden und Zawahiri werden noch immer in Pakistan vermutet. Ob die massive Aufstockung der Truppen eine Lösung bringen kann, beurteilt selbst das IISS skeptisch.
Erstarken der Aufständischen, mangelnde Legitimation und Korruption, Ausweitung des Krieges
Gegenüber dieser keineswegs unkritischen Bilanz, die sich jedoch an positive Strohhalme zu klammern versucht, sieht die Wirklichkeit wesentlich düsterer aus:
  • Die Kampftätigkeit der Aufständischen (so inzwischen die US-Sprachregelung) und die von ihnen kontrollierten Gebiete wachsen ständig.
  • Die Autorität der voll vom Westen abhängigen Regierung und ihrer bis in die letzten Winkel korrupten Verwaltung ist mehr als prekär.
  • Ethnisierung und Tribalisierung der afghanischen Gesellschaft schreiten fort und werden durch die Politik der Regierung, die Loyalität gegen Pfründen zu tauschen versucht, noch befördert, so dass der angestrebte Prozess des state building ins Gegenteil verkehrt wird. Überdeutlich wird dies, wenn man bedenkt, dass die Krieg führenden Mächte (vor allem USA und EU) ihrerseits im Postengeschacher in Kabul jeweils ihnen genehme Minister zu platzieren versuchen (FAZ 18. 01. 2010).
  • Vor allem die Ausweitung des Krieges auf pakistanisches Gebiet birgt die Gefahr einer Internationalisierung des Konflikts mit unabsehbaren Risiken, denn nicht nur die Destabilisierung Pakistans steht zur Debatte, die problematische Balance zwischen Indien und Pakistan könnte zerbrechen und zu einer regionalen Konflagration zwischen zwei nuklear gerüsteten Staaten werden.
  • Die Transnationalisierung des Krieges birgt die Gefahr eines Sprengsatzes, der die gesamte Region des Greater Middle East – und darüber hinaus – erfassen könnte: In einer weiteren soeben erschienen Studie sieht das IISS Pakistan als das „Epizentrum des globalen Jihadismus“,[7] und den pakistanischen ISI als dessen Förderer (und Saudi-Arabien als dessen Geldgeber) in Kaschmir wie auch in Bangladesh. Für die ganze Region gilt: „Die Wahrscheinlichkeit eines hohen Niveaus extremistischer Gewalt bleibt auch 2010 hoch.“
  • Die Konfliktträchtigkeit geht über die Region weit hinaus, sind doch nicht nur die „klassischen“ Großmächte mit ihren divergierenden Interessen involviert, sondern auch die an internationalem Gewicht gewinnende Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit.
Dass die deutsche Regierung noch immer am Militäreinsatz festhält und diesen immer weiter ausdehnt, ist wohl weniger dem Willen zur Lösung des Konflikts geschuldet als der altem Denken entstammenden Überlegung, dass nur der, der mit schießt, auch mitreden darf, wenn es um die Sicherung von Interessen an einem vor allem wegen der Energieversorgung zentralen Ort geht. Die bittere Lektion könnte nicht nur sein, dass auch Deutschland in einen gefährlichen Sumpf gezogen wird, sondern dass endlich zu lernen sein wird, dass Militär kein Mittel zur Gestaltung von Politik mehr ist.

Abschluss des Manuskripts: 1. 2. 2010.


[1] http//www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Kaukasus/pipeline.html
[2] S. die detaillierte Arbeit von Keenan, Jeremy: The Dark Sahara. America’s War on Terror in Afrika, London and New York 2009. Schon früher dazu: Ruf, Werner: Geopolitik und Ressourcen. Der Griff der USA nach Afrika; in: ÖSFK/Thomas Roithner (Hrsg.): Von kalten Energiestrategien zu heißen Rohstoffkriegen? Wien/Berlin 2008, S. 160 – 173.
[3] Eurasisches Magazin 06/2009.
[4] Quelle: FAZ, 21. August 2008.
[5] S. dazu den geradezu niederschmetternden Bericht der New York ‚Times vom 1. Januar 2009 „Bribes Corrode Afghans’ Trust in Government.