Sonntag, 31. Juli 2011

31. Juli, 365

31. Juli, Nagasaki (jap. 長崎市, -shi)
 
Heute Morgen erfahren wir über Twitter, dass es bei Fukushima wieder ein Erdbeben der Stärke über 5 gegeben hat. Außerdem sind dort durch den Starkregen Überflutungskatastrophen. In den USA sind 34 Reaktoren im Erdbebengebiet, aber an den Neubauplänen wird nicht gerüttelt. In einer Stadt mit einer Kriegs-Nuklear-Katastrophe erscheint das alles noch einmal in einem anderen Licht.
Heute gehen wir in die Memorial Hall. Ein beeindruckender Ort. Ein erschütternder Ort. Zunächst gibt es ein kreisrundes Wasserbecken,   

 
das an die Not, Wasser zu finden und Wasser trinken zu müssen, erinnert. Wasser, das dann kontaminiert ist. Dann geht es – wie immer in einem langen und einem kurzen Weg – in die Hall selbst. Diese ist schlicht einfach und durch die lichtdurchleuchteten Glassäulen bestimmt.   

 
Diese konzentrieren auf ein Regal mit allen Toten, das wiederum auf das Explosionszentrum der Bombe hinzeigt.  

 
Bis 2010 sind es über 150 000, die direkt oder an den Folgen der Bombe gestorben sind. Wir bleiben eine Weile da und können so einen alten Herrn erleben, der vor den Namen laut betet.  


Danach geht es ins städtische Museum zur Geschichte und Folklore Nagasakis, das ist eine eher heitere Ansammlung von Gegenständen des täglichen Lebens. Fast gänzlich in Japanisch gehalten, erklärt sich nur manches von selber. Noch ein Museum steht auf dem Programm und das bei großer Hitze und Schwüle und dem ständigen Wechsel der viel zu stark klimatisierten Räume und der Temperaturen draußen: die künstliche Insel, auf die einerseits Europäer über Jahrhunderte in ihrem Leben beschränkt waren, andererseits dadurch Japan ein Tor zur Welt eröffnet wurde. Die Kolonialisierungszeit von Portugal, den Niederlanden und anderen Ländern wurde hier direkt eingegrenzt auf diese Insel und daher ist die Zeit positiv als Zeit und Ort des Wissensaustausches – vor allem des Imports von Wissen, Tieren, Pflanzen aus anderen Ländern der Kolonien – beschrieben. Es ist alles wiederaufgebaut   

 
und schön ist es zu beobachten, wie die Freiwilligen, die durch das Museum führen, die europäische Einrichtung und Essenkultur erklären. Es ist eine andere Welt und ein anderer Eindruck von Nagasaki   

 
und mit diesen vielen Eindrücken kehren wir zurück in unsere eigene Welt des Radfahrens. Immer wieder sind Kulturen, Religionen, Ethnien mit ihrer oft so schmerzhaften Geschichte ganz präsent und wir fahren weiter und es begegnet uns die nächste. Nun sind wir ein Jahr unterwegs und fahren von Verwicklung, Krieg und Frieden zur nächsten Verwicklung, Krieg und Frieden. Manches ist ganz aktuell (wie gerade wieder Kosovo (auch der Kosovo oder das Kosovo;[5] albanisch Kosova/Kosovë, serbokroatisch Kosovo/Косово) und Serbien (serbisch Србија/Srbija anhören?/i)), manche lange her. Und doch bleibt die Prägung und die kulturelle Eigenart bekommt eine Färbung. Erstaunlich ungefärbt erscheint hier das Christentum, auf jeden Fall in der Architektur.
Unsere eigene Geschichte geht weiter und dennoch schauen wir im Augenblick immer wieder zurück und stellen auch anhand von Statistiken fest, was alles gewesen ist. So zum Beispiel unser Reisetempo. Im Vergleich zu anderen sind wir ja eher langsam, aber manchmal waren wir dennoch richtig schnell! (Auch wenn es dann in der Regel bergab ging…)

Statistik: ein Jahr auf dem Fahrrad

Unsere schnellsten Etappen

km/h – Tag - von – NN – nach – NN

18
200
Emam Taqi
1405
Shurak Maleki
838
97,06
17,2
153
Baqerabad
2052
Mahabad
1024
88,45
17
299
Taktudulak Daban
2806
Kashi
1299
139,2
16,98
90
Yaglipinar
1081
Kurutlutepe
907
101,47
16,76
18
Tamsweg
1065
Murau
851
41,38
16,43
95
Gülek
984
Beyramil
121
34,7
16,05
20
Weissenburg
716
St. Stefan
463
87,87
15,87
52
Dolani
307
Strumesnica
260
94,49
15,86
32
Doroslovo
139
Srem. Kamenica
216
90,58
15,71
93
Numunegocmen
1134
Pozanti
787
78,73
15,7
100
Gaziantep
862
Birecik
381
64,39
15,65
19
Murau
851
Weissenburg
716
60,23
15,6
40
Bajevo Polje
1092
Podgorica
162
101,33
15,6
281
Alichur
3863
Murghab
3666
91,9
15,47
139
Arak
1669
Rehjerd
1617
76,84
15,39
189
Teheran
1168
Garmsur
861
100,14
15,37
142
Robat-e Tork
1876
Murcheh Khort
1622
88,73
15,35
26
Zagreb
143
Markovac
162
87,12
15,27
13
München

Prien am Chiemsee
465
96,78
15,21
96
Beyramil
121
Incirlik
32
84,79
15,2
197
Kahak
818
Sabzevar
976
87,81
15,19
195
Shahrud
1377
Miyandasht
1156
90,31
15,12
91
Kurutlutepe
907
Aksaray
948
97,21
15,1
234
Sayrab
875
Termiz
382
99,9
15,06
31
Mohacs
143
Doroslovo
139
87,15
15,05
62
Kamriotissa
10
Ipsala
10
54,51
14,88
56
Gravouna
20
Komotini
41
89,54
14,83
14
Prien am Chiemsee
465
Hallein
398
92,4
14,78
34
Prinjavor
118
Milici
243
94,33
14,69
33
Srem. Kamenica
216
Prinjavor
118
95,03
14,69
128
Kamyaran
1674
Kermanshar
1530
71,11
14,6
196
Miyandasht
1156
Kahak
818
85,54
14,58
105
Tanyeli
596
Kiziltepe
509
88,66
14,54
24
Rozno
195
Zagreb
143
67,6
14,52
23
Rimske Toplice
241
Rozno
195
36,15
14,49
27
Markovac
162
Darany
146
83,06
14,4
236
Termiz
382
Qumqorghan
426
82,39
14,37
97
Incirlik
32
Osmanye
137
67,73
14,36
192
Ahuan
1487
Damghan
1084
109,03
14,28
92
Aksaray
948
Numunegocmen
1134
79,15

Wenn wir auf unsere Ausrüstung schauen, dann können wir sagen: 

Unsere Hosen sind super, ebenso die T-Shirts und die Unterwäsche. Die Handschuhe geben den Geist auf. Das Zelt hat sieben neue Reißverschlüsse und ist jetzt wieder prima, aber ein Zelt mit zu langen und zudem noch runden Reißverschlüssen ist wirklich eine Fehlkonstruktion. Die Fahrradschuhe und Sandalen haben sich auch bewährt, ebenso die Regenkombi aus Hose, Schuhe und Regencape. Die Wärmflasche ist ein Muss, so wie es die Wäscheschnur, die Wäscheklammern und die Ortlieb-Faltschüssel ist. Von den langen Unterhosen hätten die Thermo- und eine weitere Unterhose ausgereicht. Drei T-Shirt sind genug, diese sollten aber einen UV-Schutz haben. Ein Paar dicke, ein Paar dünne Strümpfe reicht aus, in islamischen Ländern empfiehlt sich ein drittes Paar. Die UV-Hemden sind super, zwei reichen aus. Es reicht ein Leatherman und ein großes Schweizer Messer und mit einem Löffel alleine kommt man auch weit. Für Öl empfiehlt sich eine gute Flasche. Wir haben die vielen Tupperschüsseln nicht gebraucht, im Grunde ist eine große für den Kaffee bei den Kaffee-Fans und eine für Marmelade ausreichend. Super sind die „Zip-Tüten“ in den zwei Größen, so dass Klamotten, (etwas DIN a 4 Größe) und kleine Sachen (etwa die Hälfte von DIN a 5) hineinpassen. Viele kleine Packsäcke, die mit Handtüchern etc. mitkommen, sind unerlässlich. Wir würden immer wieder ein normales Küchenhandtuch, ein kleines schnelltrocknendes Handtuch und die zwei schnelltrocknenden Körperhandtücher mitnehmen.
Bei den Schläfsäcken sind wir von unserem dicken Schlafsack (Meru Great Dream) begeistert und von den Fleeceschlafsäcken. Vielleicht wäre es sinnvoller, zwei der Meru und die beiden Fleeceaschlafsäcke zu kombinieren, als eine dritte Sorte dabei zu haben. Das ist der erste Rückblick.

30. Juli, 364

30. Juli, Nagasaki (jap. 長崎市, -shi)

Das Katholische Zentrum ist sehr schön und angenehm zurückhaltend geführt in der religiösen Ausrichtung.   

 
Manches ist sogar eher lustig, so die Ansammlung von Figuren vor dem riesen Fernseher im Aufenthaltsraum. 
  
Dort gibt es morgens Kaffee umsonst und der ist richtig gut.
Das Nagasaki Atomic Bombing Museum ist direkt um die Ecke. Es ist vom Bau her wie das Guggenheim gebaut und hat im Grunde drei Ausstellungen. Die erste Ausstellung wirkt wie die erste und ist von der geschichtlichen Perspektive doch sehr eigen, es wirkt so als habe es nie einen Krieg im Pazifik gegeben und das Handeln der Amerikaner geschah aus heiterem Himmel. Die nächsten beiden Ausstellungen sind jüngeren Datums und haben eine sehr differenzierte Darstellung, viel Informations- und Filmmaterial und verfolgen eine völlig andere Hermeneutik. In dieser Differenziertheit und mit dem Blick auf die Nuklear-Waffen-Welt bis heute ist es ein beeindruckendes und bedrückendes Museum.   

 
Wieder gibt es viele Verbindungen nach Ohio: dort im Museum sind sowohl der Bomber als auch ein Modell der Bombe ausgestellt. Wolfgang ist dort mit George gewesen (inzwischen wissen wir, dass Louann zwei Notfalloperationen soweit gut überstanden hat und wohl ihr Bein behalten wird).  

 
Nach vielen Stunden treten wir wieder an die Luft und in die Hitze, denn dort ist es eiskalt gekühlt. Wir sind erschlagen und kaufen die übliche Bentō (jap. 弁当)-Box und haben die Vorstellung, dass es bei der großen Urakami-Kathedrale (jap. 浦上天主堂, Urakami Tenshudō) schon eine Bank geben wird. Gibt es nicht. Alles ist ein Parkplatz und da wo es schöner werden könnte – also Bäume sind, darf man nicht hin. Eine Familie sucht ebenso und wir landen unter je einem Baum am Parkplatz. In die Kirche schauen wir hinein, sie ist erschreckend hässlich im Inneren und der gesamte Innenraum ist gesperrt. So einen wenig inspirierenden oder berührenden Kirchenbau haben wir schon lange nicht mehr gesehen und das an so einem Ort. Unser Zentrum ist direkt gegenüber und so können wir die schlimmste Hitze verschlafen, immer noch ohne Klimaanlage, denn auch so sind es unter 30 Grad im Zimmer.
Der Nachmittag steht unter einem anderen Programm-Thema:   

 
wir fahren die Seilbahn hinauf zum „Berg“. Dort verbringen wir die Zeit bis zum Sonnenuntergang. Es gibt eine Aussichtsplatzform, die wirklich 360 Grad hat.   

 
Es ist wunderschön, das Meer ist zu sehen, die Inseln   

 
und die Stadt.   

(Hier ist die Abwurfstelle der Atombombe.)  

 
Dort oben schauen auch die Informationstafeln in die Zukunft.   

 
Als es dunkel wird, präsentiert sich die Stadt zwar erleuchtet, ist aber weit entfernt von irgendwelchen schrillen Beleuchtungen anderer asiatischer, europäischer oder us-amerikanischer Städte.   

 
Wir fahren zurück, bekommen ganz knapp im Laden noch etwas zum Essen und fallen bald darauf auf die Matten.