Heute vor einem Jahr besuchen wir den daoistischen City God Temple or Chenghuang Miao (Chinese: 城隍庙; pinyin: Chénghuángmiào).
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Der Daoismus (chinesisch 道教 dàojiào ‚Lehre des Weges‘), gemäß anderer Umschriften auch Taoismus, ist eine chinesische Philosophie und Weltanschauung, und wird als Chinas eigene und authentische Religion angesehen. Seine historisch gesicherten Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert v. Chr., als das Daodejing (in älteren Umschriften: Tao te king, Tao te ching, u.a.) des Laozi (Laotse, Lao-tzu) entstand.
Neben Konfuzianismus und Buddhismus ist der Daoismus eine der Drei Lehren (三教 sānjiào), durch die China maßgeblich geprägt wurde. Auch über China hinaus haben die Drei Lehren wesentlichen Einfluss auf Religion und Geisteswelt der Menschen ausgeübt. In China beeinflusste der Daoismus die Kultur in den Bereichen der Politik, Wirtschaft, Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, Ernährungskunde, Medizin, Chemie, Kampfkunst und Geographie.
Die ethische Lehre des Daoismus besagt, die Menschen sollten sich am Dao orientieren, indem sie den Lauf der Welt beobachten, in welchem sich das Dao äußert. Dadurch können sie die Gesetzmäßigkeiten und Erscheinungsformen dieses Weltprinzips kennenlernen. Da das Dao sich im „Ziran“, dem „Von-selbst-so-Seienden“, der Natur, offenbart, steht es für Natürlichkeit, Spontaneität und Wandlungsfähigkeit. Der Weise erreicht dabei die Harmonie mit dem Dao weniger durch Verstand, Willenskraft und bewusstes Handeln, sondern vielmehr auf mystisch-intuitive Weise, indem er sich dem Lauf der Dinge anpasst. Der Daoismus besagt, dass es im Kosmos nichts gibt, was fest ist: Alles ist dem Wandel (chin. 易, yì) unterworfen und der Weise verwirklicht das Dao durch Anpassung an das Wandeln, Werden und Wachsen, welches die phänomenale Welt ausmacht.
In den Wandlungen der Phänomene verwirklicht jedes Ding und Wesen spontan seinen eigenen „Weg“, sein eigenes Dao. Es wird als ethisch richtig erachtet, dieser Spontaneität ihren Lauf zu lassen und nicht einzugreifen, also Wu wei, „Nicht-Eingreifen“, „Nicht-Handeln“ oder „Nicht-Erzwingen“ zu praktizieren. Die Dinge und ihr Verlauf werden als sich selbst ordnend und sich selbst in ihrer Natur entfaltend und verwirklichend angesehen. Es erscheint dem Weisen als sinnlos, seine Energie in einem stetigen Willensakt der Handlung (des Eingreifens in das natürliche Wirken des Dao) zu verschwenden. Vielmehr sollte das Tun angemessen sein. Durch den angestrebten reinen und nicht selbstbezogenen Geist soll ein Handeln möglich werden, das nicht durch eigene Wünsche und Begierden verblendet wird. Der Mensch soll einfach „geschehen lassen“.
Es wird also als klug angesehen, sich möglichst wenig in das Wirken des Dao einzumischen oder sich ihm gar entgegenzustemmen. Besser als durch große Kraftanstrengungen werden Ziele verwirklicht, wenn dafür die natürlichen, von selbst ablaufenden Vorgänge genutzt werden, die durch das Dao bestimmt sind. Dieses Prinzip der Handlung ohne Kraftaufwand ist eben das Wu Wei. Indem der Weise die natürlichen Wandlungsprozesse mitvollzieht, gelangt er zu einer inneren Leere. Er verwirklicht die Annahme und Vereinigung von Gegensätzen, denn das Dao, welches das Yin und Yang hervorbringt, ist die Ursache und Vereinigung dieser beiden. Somit verwirklicht der Weise im Einklang mit den natürlichen Prozessen den Dreh- und Angelpunkt der Wandlungsphasen von Yin und Yang, die leere Mitte der Gegensätze.
Das Daodejing liefert die Weltanschauung, die das Ideal des daoistischen Weisen blieb: Gleichmut, Rückzug von weltlichen Angelegenheiten und Relativierung von Wertvorstellungen sowie Natürlichkeit, Spontaneität und Nicht-Eingreifen.
Nach daoistischer Auffassung führt nur die Übereinstimmung mit dem Dao zu dauerhaftem und wahrem Glück. Involviertheit in weltliche Angelegenheiten führt dagegen zu einem Niedergang der wahren Tugend (De). Es wird somit als ratsam erachtet, Gleichmütigkeit gegenüber Gütern wie Reichtum und Komfort zu erlangen, und sich vor übermäßigen Wünschen zu hüten.
Trotz dieser genuin daoistischen Ethik wurden im späteren Daoismus auch ethische Lehren des Konfuzianismus und Buddhismus übernommen. Ge Hong bezieht sich auf konfuzianische Tugenden, die Lingbao-Schule hat vom Buddhismus das universelle Heilsziel übernommmen und der Quanzhen-Daoismus hat die ethischen Regeln für Mönche und Nonnen gleichfalls aus dem Buddhismus entlehnt.
Der Begriff Wu Wei begründet sich aus der daoistischen Auffassung vom Dao, dem umfassenden Ursprung und Wirkprinzip, das die Ordnung und Wandlung der Dinge bewirkt, so dass es nicht weise wäre, in das Walten dieses Prinzips einzugreifen. Die letzte Wahrheit ist gemäß dieser Lehre eins und handelt spontan, ohne dass der Geist des Menschen in sie eingreifen müsste. Die Rückkehr zum Ursprung kann nur erfolgen, wenn das dualistische Denken aufgegeben wird und die Handlungen natürlich und spontan erfolgen.
Wu Wei bedeutet nicht, dass man gar nicht handelt, sondern dass die Handlungen spontan in Einklang mit dem Dao entstehen und so das Notwendige getan wird, jedoch nicht in Übereifer und blindem Aktionismus, die als hinderlich betrachtet werden, sondern leicht und mühelos. Es ist ein Zustand der inneren Stille, der zur richtigen Zeit die richtige Handlung ohne Anstrengung des Willens hervortreten lässt.
Das Vollkommene wird im Daoismus als leer, weich und spontan gedacht und entsprechend sollte auch das Handeln sein, d.h. ohne ein Eingreifen des dualistischen Intellekts, sich der Situation anpassend und intuitiv. Das vollkommene Handeln erkennt intuitiv das beste Mittel und es erscheint als sinnlos, seine Energie in unfruchtbaren Handlungen um der Handlung willen zu erschöpfen, sondern das Handeln sollte sich auf die geeigneten Umstände und Mittel beschränken. Die beste Übersetzung des Begriffes Wu Wei wäre somit „Nicht-Eingreifen“ bzw. „Handeln durch Nicht-Handeln“, und es handelt sich um eine Art von kreativer Passivität.
Aus dieser Haltung des Geschehenlassens resultieren auch Gewaltlosigkeit und Widerstandslosigkeit als natürliche Folge.
Der Begriff Wu Wei erschien in der chinesischen Philosophie zum ersten Mal im Daodejing und blieb ein Wesensmerkmal des Daoismus.
„Wenn du auf dem Wasser reisen willst, ist ein Boot dafür geeignet, weil ein Boot sich auf dem Wasser in geeigneter Weise bewegt. Wenn du aber an Land gehst, kommst du damit nicht weiter und wirst nur Ärger haben und nichts erreichen als dir selbst Schaden zuzufügen.“– Zhuangzi XIV
„Niemals machen und doch bleibt nichts ungetan.“
„Der Edle tut es ohne Absicht.“– Daodejing XXXVII
„Ohne Absicht bleibt doch nichts ungefördert; denn man ist nie im Zweifel, was man zu tun hat.“– I Ging
Der Daoismus im 20. Jahrhundert zeichnet sich dadurch aus, dass es keine einheitliche Lehre gibt, sondern eine Vielzahl von Theorien und Praktiken, darunter auch sektiererische Entwicklungen und unorthodoxe Bewegungen.
Unter der sozialistischen Diktatur wurden die Religionen Chinas unterdrückt und verfolgt, während der Kulturrevolution wurden viele Klöster und Tempel zerstört, Schriften vernichtet und die Mönche und Nonnen umerzogen oder getötet. Im Untergrund waren die daoistischen Lehren in China jedoch immer vorhanden. Mittlerweile besinnt man sich auch in der Volksrepublik wieder auf das religiöse Erbe sowie auf das daoistische Handlungswissen in Bezug auf die Heilkunst. Viele Klöster und Tempel wurden wieder aufgebaut, Ausbildungsstellen für Mönche und Nonnen geschaffen und sogar einige universitäre Forschungsstellen für Daoismus eingerichtet. Es gibt um die Jahrtausendwende in der VR China ungefähr 3000 daoistische Heiligtümer, die von ca. 25.000 Nonnen und Mönchen bewohnt werden. Die daoistischen Tempel sind teilweise ökonomisch unabhängig, indem sie Hotels, Restaurants, Teehäuser oder Souvenirgeschäfte und Kampfkunstschulen betreiben und daoistische Organisationen engagieren sich in öffentlichen Bereichen wie dem Umweltschutz, Bildung oder Katastrophenhilfe.
Der Staat hat in der Volksrepublik eine offizielle Version des Daoismus durchgesetzt, die Wohlwollen, Patriotismus und den Dienst an der Öffentlichkeit betont. Die Ausbildung eines Daoisten in der Volksrepublik umfasst daoistische Doktrin, Rituale, Musik, Kalligrafie, Philosophie, Kampfkunst und die englische Sprache. Die „Daoistische Vereinigung Chinas“ wurde 1956 gegründet, 1957 registriert und hat ihren Sitz im Baiyunguan (Tempel der Weißen Wolken) in Beijing. Entsprechend ihrer Zielsetzung ist die Vereinigung von der Volksregierung Chinas geführt und hat die Aufgabe, alle Daoisten des Landes zu vereinigen, das Land und den Daoismus zu lieben, die Verfassung, Gesetze, Regeln und die Politik des Landes zu beachten, das Erbe des Daoismus zu pflegen sowie geistliche Angelegenheiten auszuüben. Viele daoistische Priester sind jedoch nicht gemeldet und gehören nicht den Regierungsorganisationen an, sodass die Statistiken widersprüchlich sind. Die wieder aufgebauten Tempel sind gut besucht und zu einigen Anlässen wie dem Laternenfest kommen Zehntausende von Pilgern, woraus man schließen kann, dass der Daoismus auch in der Volksrepublik noch eine große Rolle spielt.
Von dieser starken Einschränkungen unterworfenen Religionsfreiheit ausgeschlossen sind staatlich nicht zugelassene und damit nicht kontrollierbare daoistische Gemeinschaften. Sie gelten als Sekten und häretische Kulte und sind staatlicher Verfolgung ausgesetzt. Yiguan Dao (Weg des alles durchdringenden Prinzips) oder Huangtian Dao (Weg des Gelben Himmels) werden besonders stark verfolgt. Während in den 1950er Jahren Christen überwiegend langjährige Haftstrafen verbüßten, wurden Yiguan Dao-Anhänger nach ihrer Verhaftung meist hingerichtet. Noch in den 90er Jahren gab es Verhaftungen von Yiguan Dao-Gläubigen. Der Grund für die härtere Verfolgung ist geschichtlich bedingt, da gerade Yiguan Dao mehrfach an revolutionären Bewegungen beteiligt war.
Viele Daoisten flohen nach Taiwan oder Südostasien, wo der daoistische Kultus nach wie vor blüht. Im heutigen China existieren noch zwei Hauptlinien der religiösen daoistischen Tradition, der Quanzhen-Daoismus (Schule der vollständigen Wahrheit), auch als neidan, innere Alchemie, bezeichnet, und der Zhengyi-Daoismus (Schule der orthodoxen Einheit), welcher direkt auf die Tradition der Himmelsmeister zurückgeht.
Die Quanzhen-Daoisten leben monastisch und zölibatär und legen die Hauptpraxis auf Meditation, während die Zhengyi-Daoisten heiraten dürfen und auch in priesterlichen und magischen Funktionen, beispielsweise als Ritualpriester bei Tempeln, Familien und Einzelpersonen, d. h. auch bei Begräbnis- und Hochzeitsriten oder Exorzismen und Heilungen arbeiten. Der Zhengyi-Daoismus besitzt im Gegensatz zum Quanzhen, der stark buddhistisch beeinflusst ist, eine ausgeprägte Ritualistik und magische Praktiken. Die Rituale führen sich zu einem großen Teil auf die Schule der Lingbao Pai zurück. In den Tempeln, in die die Zhengyi-Priester eingeladen werden, werden meistens Lokalgötter verehrt. Viele volkstümliche Elemente sowie auch teilweise schamanistische Elemente wurden in den heutigen Zhengyi-Daoismus aufgenommen.
Es werden Rituale zu vielen Anlässen durchgeführt: zum Geburtstag des Lokalgottes, zur Restauration eines Tempels oder um eine neue Götterstatue einzuweihen. Ein Ritual kann bis zu neun Tage dauern, und ist oft verbunden mit Theateraufführungen, Prozessionen und Opfern. Viele Rituale sind ausgeprägt liturgisch. Das Hauptritual ist eines der kosmischen Erneuerung und Rückverbindung.
Die monastische Quanzhen-Schule unterscheidet sich vom Zhengyi durch das zurückgezogene Leben der Adepten in der Meditation und inneren Alchemie, ohne der Allgemeinheit die Arbeit in einem praktizierten Ritualservice anzubieten. Innere Alchemie strebt nicht nach Herstellung eines Stoffes oder physischer Unsterblichkeit, sondern ist eine Erleuchtungstechnik, eine Methode der Ordnung von Selbst und Welt. Sie ist eine operative Disziplin, die durch einen schöpferischen Akt zur Geburt eines neuen Menschen führen soll und die Erhöhung des Geistes über die Welt anstrebt. Da in der Quanzhen-Schule viele Elemente des Buddhismus übernommen wurden, besitzt sie einen stark spekulativen Charakter und die Texte dieser Schule sind durch bestimmte Merkmale charakterisiert: die geistige und physische Schulung, die Praxis unterschiedlicher Techniken wie Atemübungen, Visualisationen und innerer Alchemie, die Übernahme bestimmter Spekulationen des Buddhismus, z. B. über Wu (Leere) und You (Dasein) und die Methode der Gong'ans (jap. Koan), die Übernahme konfuzianischer Werte und die systematische Verwendung des Yijing sowie alchemistischer Techniken in einer metaphorischen, geistigen Form.
Techniken der Shangqing-Schule werden nach wie vor von Zhengyi und Quanzhen praktiziert.