Dienstag, 18. Januar 2011

15.-17. Januar , Teheran- 168, 169, 170

27 Dey 1389
 
Nach einem guten und gemeinsamen Frühstück wandern wir gen Süden zur usbekischen Botschaft. Wir haben heute den Termin, um unser Visum abzuholen, schließlich zahlen wir einen ziemlich Happen mehr für die Expressbearbeitung. Wir erreichen das zugige Treppenhaus und unsere Pässe werden eingesammelt. Wir hören eine Faxleitung und dann heißt es, es hätte eine Anfrage gegeben und es hätte eine Information gefehlt und die wäre nun gegeben und sie würden das mit dem Visum nun bis morgen überdenken. Wir mögen doch bitte morgen um 9:00 anrufen. Unverrichteter Dinge gehen wir wieder weg und trinken einen Kaffee. Wir überlegen, was wir nun machen, denn das turkmenische Visum hängt davon ab. Als erstes werden wir uns ein anderes Hotel anschauen. Wir sind sehr froh, dass wir gestern Abend „versackt“ sind und so nicht umsonst den langen Weg nach Norden gemacht haben. Nachdem wir so viel über das Busfahren gehört haben, finden wir, dass heute der Tag der neuen Erfahrung ist. Wir gehen an die Bushaltestelle, wo eine Frau bereits wartet und fragen sie nach dem Bus zur Metro. Sie möchte da auch hin. Nach zehn Minuten kommt der erste Bus, zu dritt gehen wir erwartungsfroh zum Bus, auch sie muss den Fahrer fragen. Es ist der falsche Bus. Wir warten weitere zehn Minuten, der richtige Bus kommt. Frauen sitzen hinten, Männer vorne. Es gibt Ausnahmen. Die letzte Reihe Sitzreihe der Männer scheint variabel zu sein, dort sitzt bereits eine Frau und ich werde dazu gewunken. Durch die Frau ist der Platz für Männer nicht mehr besetzbar. Wir fahren im Schritttempo und Stop and Go durch den dichten Verkehr und steigen zu früh aus. Dennoch: wir haben es geschafft!
Im Süden der Stadt finden wir sehr schnell das Hotel und können uns mit dem Manager auf einen Preis einigen. Nun müssen wir nur noch wissen, ob wir unser Visum abholen können oder nicht und davon hängt dann der Umzug ab. Das Hotel ist zwar deutlich einfacher in der Zimmerausstattung, dafür sauber, freundlich, mit Internet und einer Küche, bei der es einen weder ekelt, das Frühstück zu essen noch den eigenen Topf auf den Herd zu stellen.
So fahren wir ermutigt zurück zu unserem Hotel, kaufen frisches Brot, holen den Blog von drei Tagen nach und haben für heute genug erlebt und gesehen. In den letzten zwei Wochen sind die Preise um das Vielfache gestiegen und es ist bei jedem Einkaufen zu spüren, das Brot ist nun doppelt so teuer.

Bisher unveröffentlichte Notizen:
Wir sprechen immer wieder mit jungen Menschen, die im Grunde weg wollen, aber eher wegen der Familie da bleiben. Immer die Frage nach dem Ausland und die Frage danach wie wir den Iran wahrnehmen. Oft wirkliches Interesse




Heute vor 20 Jahren ist das Ultimatum des zweiten Golfkrieges abgelaufen und wir sind unterwegs zur zweiten Visumsverlängerung. Geschichte ist hier immer wieder so präsent, dass die Frage, was eigentlich gestern und heute ist und wie morgen aussieht sich beinahe vermengen könnte.
Wir finden das Bürogebäude sehr schnell und entdecken, dass da mittlerweile der Geheimdienst verortet ist. Uns bleibt nichts anderes übrig, als dort zu fragen, wo wir denn nun mit unserem Visum hin müssen. Uns wird die richtige Adresse in Englisch und in Farsi aufgeschrieben und nachdem das mit dem Stadtplan nicht so klappte von einem Militär zum nächsten Taxi begleitet und fahren mit dem Taxi an die neue Adresse, die recht nah an unserem Hotel ist. Die Prozedur geht sehr schnell und freundlich und wir können die Verlängerung schon in zwei Tagen abholen. Damit haben wir gar nicht gerechnet. Wir stapfen wieder in den Schnee hinaus, der uns heute morgen begrüßt hat, und machen uns auf den Weg in den Norden. Wir treffen uns mit Rieke und Thorsten, die am 1.8. 2010 in Münster mit dem Rad gestartet sind und nun auch in Teheran sind. Eigentlich wollen wir vorher ins Museum, aber durch das Hin und Her ist es dafür zu knapp und wir entscheiden, da wir einmal da sind, spontan bei den Tadschiken zu klingeln und unser Visum abzuholen. Im Norden ist es richtig verschneit und die Straße sieht aus wie in einem Wintermärchen. Die Öffnungszeiten sind schon lange vorbei, aber der Visums-Mann hat so einen netten Eindruck gemacht und es wirkte alles eher unkompliziert, dass wir einfach klingeln. Nach einer Weile reagiert jemand und bittet uns eine halbe Stunde zu warten, da sie gerade essen würden. In der Zwischenzeit hat jemand sein Auto gegenüber der Botschaft in den Schnee gefahren und ein zweites Auto steht davor und kommt nicht weiter. Es kommt ein Kind aus der Botschaft mit Schneeschaufel und aus dem Nichts tauchen zwei Männer auf, die das Auto wieder frei schaufeln. Am Ende sind beide Autos in der Botschaft und die beiden Männer ziehen weiter auf der Suche nach Menschen, die ihnen den Auftrag des Schneeschaufelns geben. Die Rufe dieser und ganzer Gruppen von Männern sind überall zu hören. Wir bekommen tatsächlich unser Visum mittags um 14:30 ausgehändigt!
Es stellt sich raus, dass Rieke und Thorsten unmittelbar bei der Botschaft leben und so können wir nach einem Einkauf in ihrer schicken Wohnung Lasagne kochen und Salat machen. Wir schlemmen den ganzen Abend mit Lasagne, Salat und Eis, Bier mit Granatapfel und Limone, sehnen uns nach einem Glas Rotwein – Riekes Mutter fragt am Telefon, ob es denn nicht geht, im Restaurant wenigstens ein Glas Rotwein zu bestellen? – tauschen unsere Erfahrungen aus, die frappierend ähnlich sind. 


Es tut uns gut, nach so langer Zeit, am Tisch mit Menschen zu sitzen, die so ähnlich leben und sich fortbewegen und reflektieren.


Wir verquatschen uns, so dass wir dort übernachten da nicht sicher ist, ob wohl noch eine U-Bahn fährt.

Bisher geheime Notizen:
Im Grunde ist die Angst immer mit, beim Sprechen,Schreiben, immer die Frage: hört jemand mit?

25 Dey 1389 

Inzwischen holen wir das Frühstück aus dem Keller ins Zimmer und essen wir oben. Das geht dann kopftuchfrei und außerdem mit Kaffee.
Anschließend steht das موزه هنرهای معاصر تهران auf dem Programm, das architektonische beeindruckend ist. Es ist innen in einer Spirale gebaut, um die herum die Ausstellungsflächen verlaufen. Im Wandern durch die Ausstellung merken wir nicht, dass wir bergab geleitet werden und sind ganz erstaunt am Ende der Ausstellung in der Spirale zwei Etagen hoch geführt zu werden. Die Beleuchtung ist ursprünglich als Tageslichtbeleuchtung gedacht, die Fenster sind leider zugehangen. Die Architektur wirkt wie eine Mischung aus dem Guggenheim in New York und dem Museum Ludwig in Köln. Die Ausstellung stellt zwei führende iranische Künstler vor. Alle andern Kunstwerke sind nicht mehr präsent, nur noch drei Skulpturen erinnern an andere Zeiten. Eine Weile stehen wir vor eine Moore-Skulptur, die beinahe verlassen wirkt.
Anschließend sind wir wieder einmal auf der Suche nach einem W-Lan und fragen im nächsten Hotel, das uns lächelnd zu horrenden Preisen die Möglichkeit eröffnet. Wir lächeln frostig zurück und gehen unserer Wege gen Süden. Bald sehen wir ein Café, das Internet hat mit zudem guten Kaffee. Neben unseren Recherchen und Schreiben beobachten wir das Treiben im Café. Auf den Tischen stehen eigentlich „Verkehrsschilder“ wo Männer und wo Frauen sitzen soll(t)en, faktisch werden die Tische zusammengestellt für eine gemischte Gruppe von Studierenden. In der Ecke sitzen zwei frisch Verliebte, die über ihre Gespräche ihr Eis vergessen, das eine geraume Zeit braucht, bis es schmilzt (was wir fasziniert beobachten). Anschließend wandern wir weiter in den Süden, der in jeder Straße seinen Charakter verändert und nur in dem kontinuierlich ist, dass die Straßen immer voller und lebendiger werden. Wir kommen an vereinzelten Hochhäusern und den Hauptsitzen der Banken vorbei und steigen schließlich am Imman Khomeini Platz, dem Platz im Süden, in die U-Bahn und werden mit Massen wieder „ausgespült“. Wir suchen einen Laden, der Passfotos macht, finden einen dessen Besitzer fließend deutsch spricht. Die Fotos entsprechen nicht der Sprachqualität, reichen aber fürs Visum aus (mal wieder Kopftuchfotos). Zwischen den einzelnen Schritten des Bearbeitens, Druckens, Kassierens guckt der Besitzer immer wieder gebannt auf den Fernsehschirm: Iran spielt gegen ???. Als es beinahe ein Tor gibt, bleiben alle anderen Handlungen stehen und sind unwichtig – wir sitzen derweil und warten.
Übrigens: Vor 100 Tagen waren wir in der Türkei

Bisher geheime Notizen:
Im Rahmen des Revolutionstages ist das Internet sehr zensiert. Kein Google, keine SMS, kein Blog etc.