Ein weiterer Tag in Teheran. Heute ist es bewölkt und der Abschluss des Trauermonats der Schiiten. Viele Geschäfte haben zu, nur unser Reifenhändler nicht.
Das Geräusch des Reifenwechselns, Waschens, Aufpumpens ist heute gemischt mit den Hossein-Gesängen. Mittags suchen wir etwas essbares und gehen durch die Straßen, die zu 80% aus geschlossenen Läden bestehen und beinahe beschaulich sind. Wir finden ein Kellerrestaurant und bekommen einen leckeren Eintopf für realistisches Geld. Den Tag verbringen wir mit Internetrecherchen zu unserer Strecke und rechnen den Worst-Case aus: dass wir nur 16 Tage haben für die Fahrt zur turkmenischen Grenze. Dass wir unsere gesamten Pausentage an einem Stück nehmen, hätten wir nicht gedacht, aber wir lesen von anderen, die auch vier Wochen in Teheran auf die „Stan-Visa“ warten, manche haben sie dann sogar in Deutschland besorgen lassen…. Das wäre dann das nächste Szenario. Aber noch hoffen wir, dass der Konsul morgen wieder aufgetaucht ist und unser Visum auch und die Turkmenen vielleicht doch nur fünf Tage brauchen. Andererseits ist ja auch bald schon wieder Wochenende und man weiß es nicht so genau. Ein wenig ist es zum Mäuse-Melken!
Wir sind froh, dass wir umgezogen sind und so wenigstens einen Internetzugang haben und außerdem in einem Hotel mit netterer Atmosphäre und für weniger Geld wohnen. Wenn wir das mit den vier Wochen geahnt hätten, dann hätte sich über Couch-Surfing auch eine Wohnung gelohnt, aber damit haben wir nicht gerechnet. Zum Glück finden wir Teheran gar nicht so schlimm, auch wenn wir regelmäßig gefragt werden, ob wir nicht lieber für ein paar Tage woanders hinfahren möchten. Wir genießen die Zeit, die wir mit Iranern verbringen können, haben viel Möglichkeiten, die Stadt zu erlaufen, die Museen anzuschauen, die Wandbilder zu studieren, Streckenbeschreibungen zu finden und nachzudenken und letztlich auch: zu erholen. Dennoch wäre es schön, es ginge bald weiter!
Uebrigens: Vor 100 Tagen waren wir in Subasi!
Uns stehen wiederum Tage des Wartens vor der Türe. Unser Teheran-Besichtigungsprogramm können wir dementsprechend langsam gestalten. Vorher lesen wir in der Tageszeitung von den Atomgesprächen in Istanbul und Demonstrationen in Berlin. Gunda liest Krimis, Wolfgang "fachbezogene" Literatur: Neben einem Artikel ueber Zentralasien finden wir im Buecherregal unseres Hotels "Nach der Globalisierung: Entwicklungspolitik im 21. Jahrhundert", eine gute Lektuere fuer die Winterpause. Als Kontrast gabs in der Deutschen Botschaft "Tatsachen ueber Deutschland". Zeit auch, deutschen Medien Zwischenberichte zu liefern... Gunda veroeffentlicht im Pastoralblatt.
Heute steht der کاخ گلستان auf dem Programm.
Wir müssen uns entscheiden, welche Museen wir uns anschauen, da für jedes einzeln ein Eintritt gezahlt werden muss. Wir entscheiden uns für die Gemäldegalerie und das ethnologische Museum. Das Gelände selbst ist frei zugänglich und wirklich wunderschön.
Einen Teil der Gebäude haben wir bereits abends beleuchtet gesehen.
Die Straße vor dem Palast ist zugleich der Haupteingang zum Basar und für Autos und Mofas (theoretisch) gesperrt. Es ist für Teheraner Verhältnisse still, eine relative Stille sozusagen (mit einem Gruß an Frank, Andreas und Gabriela!). Die Gemäldegalerie ist leider von der Beleuchtung her in einem miserablen Zustand, bei manchen Bildern sind die Strahler ausgebrannt so dass sie im Dunkel sind, bei anderen so gestellt, dass der Rahmen ganz viel Schatten auf das Bild wirft. Dennoch eröffnen die Bilder einen Eindruck in das 19. Jahrhundert, sowohl die religiösen als auch „weltlichen“ Herrscher sind dargestellt. Auf dem Weg zum ethnologischen Museum wird Gunda von einer Mädchenklasse regelrecht erobert, eh sie sich versieht ist sie umringt und umarmt und lauter junge Frauen die sich freuen ohne Ende ein Foto mit ihr machen zu können. Gerade die (jungen) Frauen im Iran sind immer wieder bezaubernd. Das ethnologische Museum besteht vor allem aus Wachsfiguren, die das tägliche Leben vergangener Jahrhunderte darstellen ebenso wie aus Exponaten des täglichen Lebens. Es ist neu renoviert und daher vom Licht her besser gestaltet, insgesamt merken wir aber, wie verwöhnt wir durch exzellente Museen sind.
Anschließend wandern wir zum Bahnhof nach Süden und entdecken die Straßen, durch die wir an unserem ersten Tag in Teheran geirrt sind, wieder. Wir sehen jetzt erst, dass wir direkt am Basar waren und das einfach nicht realisiert haben. Der Bahnhof ist elegant, groß und sehr modern. Leider (für Wolfgang) gibt es nur mit einer Fahrkarte einen Zugang zum Bahnsteig, so dass wir nur aus dem Fenster schauen können. Wir fahren mit der U-Bahn zurück und treffen am Abend Shanaz und Noeem, unsere Radfahrfamilie, die uns am Mittwoch den Basar zeigen werden und uns für Freitag eingeladen haben.
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