Dienstag, 7. Dezember 2010

Wir begruessen Rieke und Thorsten im Iran - herzlichen Glueckwunsch!

Bilder im Blog nachgetragen seit 30. November!

Ihr Lieben,

unser blog verwendet das Picasa-Webalbum von Google. Darauf haben wir derzeit nicht zuverlaessig Zugriff. Daher folgen die Bilder seit 30.11. erst jetzt...

5.-7. Dezember 2010 - 126, 127, 128, 129

7. Dezember, Kermānschāh (persisch ‏کرمانشاه‎ /kʲermɔːnˈʃɔːh/, kurdisch: Kirmashan)

Urspruengliche Planung > 119. Tag

aktuell > 127. Tag

Heute Morgen haben wir erst einmal ausgeschlafen. Ein freier Tag dient nicht nur zur körperlichen Regeneration, Einkaufen, Reparieren, Waschen, sondern vor allem auch dazu, Gefühl und Vertrauen in ein Land zu gewinnen. Mit unseren Fahrrädern fallen wir natürlich immer auf und sind im Mittelpunkt jedes Interesses, hier im ايران bisher aber durchaus friedlich. Die Kinder zerlegen nicht gleich alles wie in Ost-Anatolien, Polizisten sind durchaus freundlich und wenn man jemanden fragt, bekommt man eine brauchbare Auskunft. Der Kampf gegen die aggressiven und oft aufdringlichen Autofahrer hier im Iran nervt aber auf die Dauer so, dass es einen Tag zu Fuß in der Stadt einfach braucht, um auch einen anderen Eindruck der Menschen hier zu bekommen. Gestern sehnten wir uns manchmal nach Kurdistan zurück, wo wir uns wirklich wohl fühlten und oft Einkäufe geschenkt bekamen bzw. gefragt wurden, wo wir denn schlafen wollen. Hier haben wir oft den Eindruck, dass der Touristenpreis für uns eine Null mehr hat und wir sind plötzlich Kunden anstatt Gäste. – A Propos Kurdistan: Wenn wir hier davon sprechen, meinen wir die Autonome Provinz Kurdistan im العراق, nicht das Anspruchsgebiet, wie wir es im Hotel in زاخو fotographiert hatten. Danach wären wir seit dem Mittelmeer bis gestern in Kurdestan. Übrigens wurden wir in der Provinz استان کردستان im ايران auch immer wieder begrüßt mit „Willkommen in Kurdistan.“
Nun, das Phänomen der Gebietsansprüche ist nichts Neues auf unserer Reise. Wie gesagt, „Kurdistan“ würde von hier bis zum Mittelmeer reichen, wogegen natürlich die Türkler etwas haben, die mit Mühe ihre Grenze mit Ελλάδα stabilisiert haben. Die Έλληνες ihrerseits beschildern Constantinopolis wie selbstverständlich noch heute als inländisches Ziel, fühlen sich auf der anderen Seite aber bedroht, von Македонија, weil dies Ansprüche auf die gleichnamige griechische Provinz stellen könnten. Република Македонија wiederum fühlt sich bedroht von der UCK, die albanische Ansprüche im Norden erkämpfen wollen. Dass der jetzt eher albanisch dominierte Kosova/Kosovë eigentlich von den Срби als Wiege ihrer Nation angesehen wird, ist weitgehend bekannt. Die Muslime in Bosna i Hercegovina fühlen sich durch Срби und Hrvati bedroht, die wohl das Staatsgebiet gerne unter sich aufteilen wollten. Und selbst die Grenze zwischen Österreich und Slovenija ist nicht naturgegeben, was Auswüchse wie den Orstaferlstreit hervorbringt. Also: Wir haben gelernt, dass praktisch auf unserem ganzen Reiseweg bisher sich die Gebietsansprüche überlappen, nur die Intensität der Konflikte unterscheidet sich. Und die offenen oder verdeckten Interessen Dritter spielen natürlich mit. Wir erinnern uns an die Worte eines unserer Gastgeber in der Türkiye Cumhuriyeti, der erzählt hatte, die Landebahn des Flughafens in سلێمانی in Kurdistan/Irak sei so verlängert worden, dass jetzt B52 – Bomber darauf landen könnten. In regelmäßigen Abständen begegneten wir übrigens den US-Airforce-Basen, so auch in Incirlik bei Adana in der Türkiye Cumhuriyeti und zuletzt eben der Flughafen von سلێمانی nicht weit von hier.
Auch die Islamisierung in der Türkiye Cumhuriyeti erklärte uns unser zitierter Gastgeber in der Türkei mit der CIA-Strategie des Green Belt, der als religiöser Gürtel um die Союз Советских Социалистических Республик (СССР) gelegt werden sollte, um sie auf diese Weise zu destabilisieren.
Aber es ist ja nicht unsere Aufgabe, zu interpretieren oder mit eigener Meinung zu missionieren, sondern uns von Begegnungen immer wieder überraschen zu lassen…
Ähnlich ging es uns ja mit den Reisewarnungen: in den USA standen an erster Stelle Shqipëri/Shqipëria und ايران, bei den Soldaten, die in den Kriegen des ehemaligen Југославија/Jugoslavija eingesetzt waren, kam Србија und Kosovo (auch der Kosovo oder das Kosovo;[5] albanisch Kosova/Kosovë, serbokroatisch Kosovo/Косово) dazu. In Deutschland war es auch Србија und ايران, ebenso manchmal 中華人民共和國 / 中华人民共和国. In Österreich waren es Italia (obwohl wir da ja nicht hinwollten). Србија war auch nicht gut gelitten und in Bosna waren es die Срби und Hrvati. Die (katholischen) Shqiptarët hielten nicht viel von den (muslimischen) Kosovo-Albanern, die wiederum nicht viel von den Срби. In Ελλάδα wurden wir vor den Türkler gewarnt, in der Türkiye Cumhuriyeti vor den Kurd und den Kurdischen Gebieten, dort seien viele Terroristen. In den kurdischen Gebieten vor dem Irak (arabischالعراق‎, DMG al-ʿIrāq; kurdischكۆماری عێراق‎, Komara Îraqê;), dort würden Touristen abgezockt, aber in der Türkiye Cumhuriyeti nicht mehr vor dem ايران. Im Kurdistan / Irak wurden wir vor dem ايران gewarnt. Ausgefragt wurden wir im كۆماری عێراق und im ايران über die Grenzübergänge und ob wir von der Türkiye Cumhuriyeti kommen. Wenige Warnungen gab es zu den Zentralasiatischen Staaten, am ehesten in Deutschland vor Кыргызстан. Wir haben am Anfang nicht erzählt, dass wir durch den Kosova/Kosovë und العراق wollen….Gar nicht gewarnt wurden wir vor Ελλάδα, wo wir dann überfallen wurden. Ein wenig Unverständnis gab es für 日本. Aber es gab eigentlich wenige Reaktionen auf Länder, die durchweg positiv waren, wohingegen bisher durchweg die Reaktion darauf, dass wir aus Europa und / oder Deutschland kommen, positiv bis begeistert aufgenommen wurde und seit der Türkiye Cumhuriyeti ein Landweg nach 中華人民共和國 / 中华人民共和国 und dann 日本 auch nicht mehr als verrückt angesehen wurde. Im العراق und im ايران wird die Frage der Weiterreise nach افغانستان und پاکستان ernsthaft gestellt.
Bisher geheime Notizen:
Es ist die Woche der Vorbereitung auf das Fest عاشوراء des Martyriums von الحسين بن علي بن ابي‌ طالب. Überalle stehen Bühnen und es werden Trommeln und Geißeln verkauft. Es läuft den ganzen Tag laute Musik und im Fernshen wird live aus Kerbala übertragen. Das zu sehen ist für uns irre, denn den schiitischen Islam bekommen wir in Deutschland doch wenig mit. Es gibt auf der Bühne immer einen Vorsänger, der vermutlich die Leidensgeschichte singt und dabei immer dramatischer wird und mit Trommeln den Takt schlägt. Die Gläubigen, in Frauen und Männer unterteilt, singen mit und steigern sich in eine Emotionalität hinien, die unvorstellbat ist. Am Ende weinen alle Männer und schlagen sich, manche auch mit den GEißeln im Takt der Musik. Von oben gefilmt ergibt das eine wunderschöne Choreographie weil die Bewegungen alle synchromn sind. Dennoch möchte wir ungerne in die Prozessionen nächste Woche hineingeraten.
 
6. Dezember, Kamyaran (Persian: كامياران‎, also Romanized as Kāmyārān)[1] nach Kermānschāh (persisch ‏کرمانشاه‎ /kʲermɔːnˈʃɔːh/, kurdisch: Kirmashan), 71,11km, 6504,7 Gesamt km

Datum: 6.12.10

Tag: 128

TagesunterstützerIn:

von: Kamyaran m NN 1674

nach: Kermanshar m NN 1530

km 71,11

Gesamt km 6427,8832

km/h: 14,69

Fahrzeit 04:50

gesamte Fahrzeit: 493:18:00

Anstieg in m pro h 17,59

Anstieg in m 85

Abfahrt in m: 229

höchster Punkt in m NN 1677

Steigung/Gefälle 0,44

Panne: Platter an Wolfgangs Wagen

Heute ist Nikolaus!


Etwas, das in diesem Kulturkreis kaum vorstellbar ist. Aber wir haben uns heute ein zweites Mal bekehrt: wir fahren jetzt auf dem Seitenstreifen. Nach dem Tag gestern und dem Versuch heute Morgen die Straße zu überqueren, wo alleine die bloße Existenz am Straßenrand zum Hupkonzert ausreichte. Also sind wir brav auf den Seitenstreifen ausgewichen und sofort veränderte sich das Hupen und wird zu einem größtenteils freundlichem, manchmal noch ärgerlichen, immer wieder und eigentlich zu oft anmachenden Hupen. Es geht zunächst weitere 200 m bergab und wir sind ganz erstaunt, wie schnell wir voran kommen. Am Ende der Stadt ist eine Polizeikontrolle und wir werden von einem Polizisten rausgewunken, der ganz besorgt fragt, ob es nicht zu kalt zum Radfahren sei und Wolfgangs Hände und Wange befühlt und der Meinung ist, dass beide viel zu kalt seien. Als wir beschließen, die erste Pause zu machen, hält vor uns ein Auto des Roten Halbmondes und schenkt uns zwei Flaschen Mineralwasser und zwei eingepackte Kuchen. Über beides freuen wir uns sehr, da wir nicht zum Einkaufen gekommen waren bzw. uns den Einkauf für die Stadt aufbewahrt haben, in der Hoffnung, dort mit Preisen ausgezeichnete Waren zu finden, so dass wir ein Gefühl für Preise bekommen, denn bisher hatten wir bei den kleinen Läden - seitdem wir die Provinz استان کردستان verlassen haben, denn dort wurde uns der Einkauf in der Regel geschenkt oder weniger Geld genommen als zunächst gesagt – das Gefühl, dass ein ziemlicher Batzen an Touristen-Preis oben drauf kommt. Wir machen an einer Tankstelle halt 
 

und machen erneut die Erfahrung, dass es an iranischen Tankstellen keinen Tee mehr gibt. 


Danach fahren wir wacker auf dem Seitenstreifen vor uns hin und es geht die gesamte Zeit auf ebener Strecke durch ein ganz fruchtbares Tal, das von den hohen und zerklüfteten Bergen umrahmt ist. 


Zum Mittagessen halten wir an einem Grill am Rande und entdecken, dass der Reifen vom Wagen platt ist. 


Also reihen wir uns in die reparierenden Massen am Straßenrand ein. 


Wir sind sehr schnell am Ziel und fahren durch die Stadt کرمانشاه, was im Grunde ganz gut geht, wenngleich der Fahrstil in der Stadt noch anarchischer ist als sonst schon. Es erstaunt uns auch heute wieder, dass die Begegnungen mit den Menschen wirklich nett und freundlich sind, aber sobald sie im Auto sitzen, geht ein Wandel vor und es ist so, dass man eigentlich nur noch das Land verlassen möchte. Wir finden aber mit Hilfe von vielen Hinweisen unser Hotel, das sehr schön ist und wo es gar kein Problem ist, unsere Räder ins Restaurant zu schieben. Die Stadt liegt mitten in den Bergen und ist im Krieg (1980 – 88 Irak/Iran) wohl ziemlich zerstört gewesen. Morgen haben wir unseren freien Tag, worauf wir uns sehr freuen. Wir hoffen, dass es weiterhin schneefrei bleibt, nachdem uns heute zwei Schneeflüge entgegen gekommen sind.
Einquartiert in ein angenehmes Hotel im Stadtzentrum für DZ 40 US$ gönnen wir uns ein Bier am Abend. Ein original Bitburger, das hier im ايران unter Lizenz gebraut wird, mit Apfel- oder Pfirsich-Aroma und natürlich alkoholfrei. Daneben im Regal fand sich Jever Fun importiert aus Deutschland und jede Menge einheimische Biersorten ohne Alkohol. Das Bit schmeckt so gut und frisch, dass es wohl unser Favorit wäre, wenn es nur in anderen Ländern zu bekommen wäre. Inzwischen wissen wir auch, was eine 1 l Flasche kosten sollte. (Aber in Deutschland ist die Alkohol-Lobby wohl zu stark, als dass gut schmeckende alkoholfreie Biere auf den Markt kämen…)
Seit der Türkiye Cumhuriyeti ist das mit dem Bier ja so ein Kult: In der Türkei und Heremê Kurdistanê in eigenen Läden, verkauft in schwarzen Plastiktüten, in der Türkei überteuert, in Kurdistan auch deutsches Bier billiger als in Deutschland, im ايران verboten, dachten wir…
Immer wieder entdeckten wir in Kurdistan oder jetzt im Iran abgelegene Plätze in der Natur mit leeren Bierflaschen, oft auch harte Sachen dabei…
Das Verbotene wird auch hier zum Kult der Halbstarken…
Ganz schön überrascht waren wir, als Gunda von einer Dame aus dem Auto heraus vorgestern eine Dose Tuborg (mit Alkohol) angeboten bekam; wir lehnten ab, weil wir die Situation nicht einschätzen konnten… War es eine Freundlichkeit westlichen Touristen gegenüber, oder wollte jemand uns auf die Probe stellen?
Nun, nach der ganzen Geheimnistuerrei um Bier seit der Türkei sind wir wie gesagt froh, im Iran endlich unsere Lieblingsmarke gefunden zu haben: Bit aus der Eifel, sportlerfreundlich ohne Alkohol und ohne das ständige Damoklesschwert des Verbotenen!
Bisher geheime Notizen:
Wir sind bisher eher verwundert über den Iran. Vielleicht sind wir aber auch einfach zu sehr verwöhnt von der kurdischen Kultur. Wir essen neben einem Laden und bekommen noch nicht einmal einen Tee angeboten. Beim Hineinfahren nach Kermanshah fährt ein junger Mann auf dem Mofa absichtlich in das Rad von Gunda. WIr sind beide ziemlich genervt von der respektlosen Art und Weise Auto zu fahren. Verwundert auch über die Art und Weise mit "ungläubigen" Frauen umzugehen, sie ienfach zu fotografieren, blöd anzumachen etc.
 
5. Dezember Sanandadsch (persisch ‏سنندج‎; Sanandaj, auf kurdisch Sine) nach Kamyaran (Persian: كامياران‎, also Romanized as Kāmyārān)[1], 76,67 km, 6432,6Gesamtkm

Tag: 127

TagesunterstützerIn:

von: Sanandaj m NN 1558

nach: Kamyaran m NN 1674

km 67,67

Gesamt km 6356,7732

km/h: 11,52

Fahrzeit 05:52

gesamte Fahrzeit: 488:28:00

Anstieg in m pro h 160,40

Anstieg in m 941

Abfahrt in m: 825

höchster Punkt in m NN 1980

Steigung/Gefälle 2,61

Unsere Räder haben eine gute Nacht in der Wäscherei des Hotels und hatten es bestimmt nicht ganz so warm wie wir in unserem überheizten Zimmer. Wir haben tatsächlich bei offener Balkontür geschlafen!
Heute fällt es uns eher schwer viel zu schreiben, weil der Tag insgesamt nervig war. Grundsätzlich sind wir aber gut vorangekommen und haben zwei Pässe gemeistert. Beim ersten Pass haben wir die Aussicht auf das Tal genossen und die Berge lagen wie mit Samt überzogen vor uns. 
 

Anschließend sind wir lange an einem Fluss entlang bergauf gefahren auf einen ganz neuen Staudamm zu, der riesengroß und sehr weit oben am Berg ist. Wir sind auf fast 1.700 m an ihm vorbeigefahren und er ist bestimmt weitere 200 Höhenmeter höher gewesen. Nachdem wir keine Möglichkeit gefunden haben, irgendwo etwas zu essen, kaufen wir an einem der vielen kleinen Laden-Stände an der Straße etwas ein und packen unsere Sachen aus. Es ist das erste Mal seit der Türkei, dass uns kein Tee oder keine Sitzmöglichkeit angeboten wird. Auch kein Wasser oder was auch immer. Ein wenig verwundert hocken wir uns auf einen kalten Stein und essen. Die Autofahrer fahren hier wie die Besessenen, das Prinzip ist eine möglichst hohe Bremsfreiheit im Fahrstil. Wir müssen das erste Mal seit Sarajewo uns vor einem nicht stoppen wollenden LKW mit einem „Sprung“ in den Seitenstreifen retten. Als dann noch Kinder „Hello, hello“ rufen, wären wir am liebsten umgekehrt und nach Kurdistan in den Irak zurückgefahren…. Wir kämpfen uns einen zweiten Pass hinauf, kommen an Lokalen vorbei, wieder ohne Tee-Einladung. Als wir den Pass wieder hinunter fahren auf der Suche nach Wasser, halten wir an der Erst-Hilfe-Station und bekommen dort zwei Flaschen Trinkwasser und können unsere Wassersäcke auffüllen. 


Die Begegnung hat für heute unseren Iran-Eindruck ein wenig gerettet, als wir dann noch im Abendrot auf die hohen Berge zufahren, geht es uns schon ein wenig besser. Nun sind wir mit unserem Zelt in einem Park neben einer Kiesgrube und freuen uns auf die klassischen Nudeln.