Das Prinzip Prenzlauer Berg ist überall!
Nachdem es tatsächlich aufgehört hat zu schneien (und damit sich auch endlich die Themen in den Nachrichten ändern und keine Vergleiche von Schneeschiebern mehr gesendet werden) und zudem die Sonne nun schon fünf Tage scheint, die Temperaturen im deutlichen Plus-Bereich liegen, genieße ich meine Rad-Freiheit und erkundige Columbus wieder einmal neu. Im Grunde mache ich das seit über 20 Jahren. Was ich heute festgestellt habe: das Prinzip Prenzlauer Berg ist überall. Aber das sagte ich schon. Ich habe ein Café als mein Lieblingscafé auserkoren, ich muss keine 1,5 Stunden mit dem Rad fahren, um dorthin zu kommen. Es ist nicht im hippsten Bereich der Stadt, sondern in einer Art Prenzlauer Berg. Es ist zudem 10 Minuten vom Jospehinum entfernt: dort ist es möglich, draußen auf einer Bank oder auf Stühlen zu sitzen auf einem echten Bürgersteig umgeben von lauter kleinen, zum Teil alten Läden, Manufakturen, Einzelwaren, Künstlern, weiteren Cafés, einem Öko-Markt von April bis November und lauter Müttern, die ihren Kindern bestimmt alle Doppel-Namen gegeben haben oder wenigstens Namen von bedeutenden KünstlerInnen. Es ist irre, es ist beinahe beängstigend.
Was an dem Café nicht dem Prenzlauer Berg Prinzip entspricht, dass der Bezirk schon immer ein guter Bezirk war, grün ist er sicherlich erst in den letzten 10 Jahren geworden.
Dagegen entsprich der hippe Bereich der Stadt genau den Prozessen der Gentrifizierung. Vor 20 bis 30 Jahren war es unmöglich, dort auch nur tagsüber über die Straße zu gehen, es war schlichtweg zu gefährlich. Gefährlich blieb es auch weiterhin, aber es war dann einfach "nur" ein Bereich mit geringem Einkommen, hoher Kriminalität, hoher Arbeitslosigkeit, das ganze zwar nah an der Uni, aber doch deutlich getrennt vom Leben dort. Es war buchstäblich ein Straße weiter zu einem anderen Leben. Der Uni-Bezirk war ein Gettho, umgeben von den Gegenden, in denen es irgendwann ok war, tagsüber mit geschlossenen Türen im Auto durchzufahren, aber nicht in der Dunkelheit. In der Entscheidung, alle alten Gebäude einfach abzureißen und was auch immer zu bauen, haben sich geld-habende Investoren zusammengeschlossen und angefangen, die eine Straße zu renovieren, zu sanieren. Es kamen zunächst neue Läden und neue Mieter, der Bereich des Wohnbaren weitete sich aus. Alte Häuser wurden gerne aufgekauft (günstig), renoviert und verkauft (teuer). Inzwischen arbeiten und leben dort gut verdiendende Akademiker, manche Studierenden. Es gibt schöne, teure Läden, Restaurants und Cafés und die eine Straße zur Uni ist kaum noch zu entdecken. Die gesamte Gegend ist sicher geworden, sehr schön, sehr teuer. Die Probleme haben sich verschoben in andere Gegenden der Stadt, bis heute sind dort bereits in diesem Jahr 16 Menschen bei Schießereien ums Leben gekommen. Davon, dass es ganz gefährlich war entlang der "North High Street" erzählen jetzt die Alten, zu denen ich zur Abwechlsung auch schon gehöre.
Daher bin ich mit meiner neuen Entdeckung im hohen Norden doch sehr froh und kann völlig un-hip einen Kaffee trinken.
G#
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